Orientierungshilfe
in der Pastoral
für geschiedene und wiederverheiratete geschiedene
Gläubige
In der
Delegiertenversammlung des „Dialogs für Österreich“ (24. – 26. Oktober 1998) wurde
die Forderung erhoben, für wiederverheiratet-geschiedene Gläubige nach
pastoralen Wegen zu suchen, die Hoffnung geben und das Ziel haben, „dass die
pastorale Barmherzigkeit noch umfassender werde.“ Diesem Anliegen entsprechend
wurde eine Expertengruppe gebildet, die sich mit diesem Thema befasst, die
kirchlichen Dokumente studiert und die in mehreren Diözesen bereits
vorliegenden Erfahrungen gesichtet hat.
Die Expertengruppe hat eine Orientierungshilfe der Bischofskonferenz vorgelegt.
Diese bildete die Grundlage für die hier vorliegende Kurzfassung, von der zu
hoffen ist, dass sie Seelsorgern und all jenen, die oft mit den Problemen und
Schwierigkeiten von geschiedenen und wiederverheiratet-geschiedenen Gläubigen
befasst sind, Orientierung und Anregung bietet.
Gott will,
dass alle Menschen gerettet werden (vgl. 1 Tim 1, 15). Jeder Mensch kann das
Heil erlangen. Manchmal ist jedoch erforderlich, das Leben zu verändern und
neue, andere Wege einzuschlagen. Immer ist Umkehr und Vergebung von Gott
möglich, ganz gleich, was geschehen ist. Voraussetzung ist Einsicht, Reue und
Entschlossenheit zu einem neuen Bemühen. Bis zum letzten Augenblick des Lebens
ist eine solche Hinkehr zu Gott möglich.
Im Zusammenhang mit den Problemen der wiederverheirateten geschiedenen
Gläubigen ist dieser Ausgangspunkt wichtig. Niemand soll sich von der Kirche
ausgeschlossen fühlen, auch wenn in bestimmten Situationen nicht immer sofort
eine Lösung möglich ist; langfristig gilt für jeden Menschen ohne Ausnahme: wer
bemüht ist, wer seine Fehler einsieht und bereut, gelangt zur vollen Aussöhnung
mit Gott, der Kirche und sich selbst.
Der Ehebund
unterliegt nicht der Willkür des Menschen. Das II. Vatikanische Konzil hat
gelehrt: „Gott selbst ist der Urheber der Ehe, die mit verschiedenen Gütern und
Zielen ausgestattet ist“ (GS 48). Der Ehebund ist ein reales Abbild des Bundes
Gottes mit den Menschen, er ist unauflöslich und auf Nachkommen ausgerichtet. Dies
ist für die Kinder wichtig, sie brauchen Vater und Mutter und diese sind nicht
austauschbar. Es ist auch für das Ehepaar grundlegend: die Dauerhaftigkeit der
Beziehung sowie die Offenheit für die Weitergabe des Lebens sind für den Schutz
der Würde von Mann und Frau und für die Entfaltung ihrer Liebe wesentliche
Voraussetzungen. Einheit und Unauflöslichkeit sind nicht relativierbar. Das
aber wird zur großen Schwierigkeit, wenn eine Beziehung nicht gelingt.
Christus hat die Ehe wegen ihres hohen Anspruchs und der mit ihr verbundenen
wichtigen Aufgaben zum Sakrament erhoben. Christliche Eheleute geben sich das
Ja-Wort mit dem Blick auf Christus: die Liebe, die er geoffenbart, und die
Hingabe, die er für seine Braut, die Kirche, gelebt hat. Sie können dies voll
Zuversicht tun, denn sie vertrauen auf seine Hilfe, den Beistand seiner Gnade.
In diesem Sinn kommt der Eucharistie für Ehe und Familie eine besondere
Bedeutung zu: denn in ihr ist der durch das Leiden hindurchgegangene,
auferstandene Christus selbst gegenwärtig. Er ist die wirkmächtige Speise der
Liebe, die große Hilfe. Jeder bewusste Empfang der hl. Kommunion erinnert
Eheleute an Christus, an sein Vorbild, an seinen Beistand in der ehelichen
Beziehung, an die Notwendigkeit einander treu zu sein. Sie werden aber auch
gestärkt, ermutigt und befähigt, sich hinzugeben, wie er es getan hat.
Widersprüchlich wird deshalb der Empfang der Kommunion, wenn jemand nicht mit
dem ihm angetrauten Ehepartner, sondern mit jemandem anderen zusammenlebt.
Nicht jeder Empfang der Kommunion ist fruchtbar, er kann sogar zum Gericht
werden, wie der hl. Paulus lehrt (vgl. 1 Kor 11, 27-34). Das gilt freilich ganz
allgemein, nicht nur im Zusammenhang mit Ehe. Auch bezüglich Bußsakrament
ergibt sich etwas ähnliches. Denn wahre Umkehr wird
bei jenem, der nicht mit dem eigenen Ehepartner zusammenlebt, u.a. zum
Bewusstsein des unauflöslichen Ehebandes führen, das die neue Beziehung als
Widerspruch zum Sakrament der Ehe erkennen lässt.
Wenn es „nur“ zur Scheidung kommt, die manchmal – nach Scheitern aller
Versuche, die eheliche Gemeinschaft aufrecht zu erhalten - wegen der
notwendigen rechtlichen Absicherung des Lebensunterhaltes oder wegen Vorliegen
von Gefährdungen unvermeidbar sein kann, besteht diese Schwierigkeit nicht,
sofern nicht eine neue Partnerschaft eingegangen wird. Oft wird es allerdings
notwendig sein aufzuarbeiten, was der Betroffene durch sein Fehlverhalten zur
Scheidung beigetragen hat. Unter den für alle Gläubigen gültigen Bedingungen
darf dann die hl. Kommunion empfangen werden.
Fast jede
Scheidung bringt für alle Betroffenen, insbesondere für die Kinder, eine
schwere Lebenskrise mit sich. Familien, die zerbrochen oder am Zerbrechen sind,
müssen daher für jeden Seelsorger, für jeden Nachbarn, für jede Pfarrgemeinde
eine große Sorge darstellen. Die wichtigste erste Hilfe wird darin bestehen,
die Möglichkeit zu Gespräch und Begleitung anzubieten, um bei der Bewältigung
der Krise beizustehen.
Oft stehen kurz nach der Scheidung die materiellen und existentiellen Fragen im
Vordergrund, die Suche nach Wohnung, die Absicherung des Lebens-Unterhaltes. In
allen Diözesen gibt es Stellen, die in solchen Situationen behilflich sind.
Besondere Sorge muss den Kindern gelten: als sehr hilfreich erweisen sich „Rainbows“ und andere ähnliche Initiativen, die
Scheidungskindern insbesondere in der ersten Phase über das schlimmste Leid
hinweg helfen.
Sehr wichtig ist für Geschiedene, eine Aussprachemöglichkeit und Rückhalt zu
finden. Das seelsorgliche Gespräch kann diesbezüglich eine große Stütze sein.
Oft ist für die Betroffenen eine wahre Neubesinnung und Neuorientierung
erforderlich, um zu sich zu kommen, um Vergangenes aufzuarbeiten und neue
Zukunftsperspektiven zu erlangen.
Häufig finden sie dabei neuerlich Zugang zum Empfang der Sakramente, nehmen
wieder ein christliches Leben auf und suchen neue Aufgabengebiete, die, wenn
sie bedeutungsvoll sind, nicht wenig dazu beitragen können, um nach der
Erfahrung eines durch die zerbrochene Familie missglückten Lebensplanes einen
neuen Weg zu finden, der zu erfüllen vermag. Geschiedenen, die kirchlich gültig
verheiratet sind, darf nicht zu einer neuen Beziehung geraten werden, sofern
die kirchliche Ehe nicht annulliert worden ist. Abgesehen davon ist für die
Kinder eine „Wiederheirat“ der alleinerziehenden Mutter oder des
alleinerziehenden Vaters oft eine schwierige Lösung.
Prinzipiell sind Geschiedenen, wenn sie nicht neuerlich heiraten oder in einer
Beziehung leben, kirchliche Ämter nicht vorenthalten. Es wird aber gut sein,
darauf zu achten, ob sie ihre Lebenskrise im Wesentlichen bereits überwunden
haben und ihre Probleme aufgearbeitet sind.
Auch bei
wiederverheiratet-geschiedenen Gläubigen wird das erste seelsorgliche Ziel
darin bestehen, Kontakt mit ihnen zu gewinnen bzw. diesen ihnen anzubieten.
Sobald es zu einem seelsorglichen Gespräch kommt, wird es notwendig sein,
zunächst ihre Situation zu klären. Dabei geht es um die gesamte
Lebenssituation: um existenzielle Fragen, um die Beziehung zu Gott, um ein Mitleben in der Kirche. Es geht aber auch um eine
„kirchenrechtliche“ Klärung: ob etwa einer oder beide Eheleute kirchlich
verheiratet waren; ob Gründe bestehen, die an der Gültigkeit der kirchlichen
Ehe Zweifel aufkommen lassen. Falls notwendig, wird es angebracht sein, sie mit
dem diözesanen Ehegericht oder einem kompetenten, kirchenrechtlich bewanderten
Berater in Verbindung zu setzen, um ihre Vorgeschichte genauer zu prüfen und
gegebenenfalls ein Annullierungsverfahren einzuleiten.
Auch im Falle, dass es nicht möglich ist, die Ehe in Ordnung zu bringen, wird
es angebracht sein, sie auf die Möglichkeiten und Pflichten ihres Lebens als
Christen aufmerksam zu machen. Es muss uns allen ein wichtiges Anliegen sein,
ihnen liebevoll beizustehen, damit sie sich nicht als von der Kirche getrennt
betrachten, da sie als Getaufte an ihrem Leben teilnehmen können. Im
päpstlichen Rundschreiben „Familiaris Consortio“ heißt es wörtlich: „Sie sollen ermahnt werden,
das Wort Gottes zu hören, am hl. Messopfer teilzunehmen, regelmäßig zu beten,
die Gemeinde in ihren Werken der Nächstenliebe und Initiativen zur Förderung
der Gerechtigkeit zu unterstützen, die Kinder im christlichen Glauben zu
erziehen und den Geist und die Werke der Buße zu pflegen, um so von Tag zu Tag
die Gnade Gottes auf sich herabzurufen“ (FC 84). Auch wiederverheiratete geschiedene Gläubige sollen daher ihren Möglichkeiten
entsprechend um ein christliches Leben bemüht sein.
Im gleichen Rundschreiben wird betont, dass die Hirten um der Liebe zur
Wahrheit willen verpflichtet seien, die verschiedenen Situationen bei
wieder-verheiratet-geschiedenen Gläubigen gut zu unterscheiden. Es heißt dann
wörtlich: „Es ist ein Unterschied, ob jemand trotz aufrichtigen Bemühens, die
Ehe zu retten, völlig zu unrecht verlassen wurde,
oder ob jemand eine kirchlich gültige Ehe durch eigene schwere Schuld zerstört
hat. Wieder andere sind eine neue Verbindung eingegangen im Hinblick auf die
Erziehung der Kinder und haben manchmal die subjektive Gewissensüberzeugung,
dass die frühere, unheilbar zerstörte Ehe niemals gültig war“ (FC 84).
Manche meinten, aus diesen Darlegungen ableiten zu können, dass je nach
Vorliegen der Situation die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den
Sakramenten (Eucharistie und Bußsakrament) möglich sei. Im gleichen Schreiben
heißt es jedoch unterschiedslos: „Die Kirche bekräftigt jedoch ihre auf die Hl.
Schrift gestützte Praxis, wiederverheiratete Geschiedene nicht zum
eucharistischen Mahl zuzulassen. Sie können nicht zugelassen werden; denn ihr
Lebensstand und ihre Lebensverhältnisse stehen in objektivem Widerspruch zu
jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie
sichtbar und gegenwärtig macht“ (FC 84). Dann wird noch hinzugefügt: „Darüber
hinaus gibt es noch einen besonderen Grund pastoraler Natur: Ließe man solche
Menschen zur Eucharistie zu, bewirkte dies bei den Gläubigen hinsichtlich der
Lehre der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe Irrtum und Verwirrung“ (ebenda).
Eine ähnliche Folgerung wird dann auch bezüglich Sakrament der Buße gezogen:
„Die Wiederversöhnung im Sakrament der Buße, das den Weg zum Sakrament der
Eucharistie öffnet, kann nur denen gewährt werden, welche die Verletzung des
Zeichens des Bundes mit Christus und der Treue zu ihm bereut und die
aufrichtige Bereitschaft zu einem Leben haben, das nicht mehr im Widerspruch
zur Unauflöslichkeit der Ehe steht. Das heißt konkret, dass, wenn die beiden
Partner aus ernsthaften Gründen – z.B. wegen der Erziehung der Kinder – der
Verpflichtung zur Trennung nicht nachkommen können, sie sich verpflichten,
enthaltsam zu leben, d.h., sich der Akte zu enthalten, welche Eheleuten
vorbehalten sind“ (ebenda).
Diese Aussagen haben bei nicht wenigen Gläubigen heftigen Widerspruch
ausgelöst. Sie wurden durch das Scheiben der Glaubenskongregation über den
Kommunionempfang von wiederverheirateten geschiedenen
Gläubigen (1995) bestätigt.
Welche Folgerungen sind zu ziehen:
Es muss uns klar sein, dass die Kirche – einschließlich Papst – die
Unauflöslichkeit der Ehe nicht relativieren und die sich aus dem Wesen des
Ehe-Sakramentes, der Eucharistie und des Bußsakramentes ergebenden
Zusammenhänge nicht verändern kann.
Die unterschiedlichen Gegebenheiten, die zu solchen irregulären Situationen
führen, werden die Art unserer Zuwendung beeinflussen: Jemand, der unschuldig
oder fast unschuldig in ein Unglück geraten ist, muss unsere Anteilnahme und
Sympathie besonders erfahren, ebenso jemand, der seine Fehler eingesehen und
bereut hat. Es wird nicht schwierig sein, dass sich solche Personen im
kirchlichen Leben in irgendeiner Weise integrieren. Auch jene, die sich
offensichtlich falsch verhalten haben und noch nicht einsichtig geworden sind,
werden wir von unseren Bemühungen, unserer Bereitschaft, mit Rat und Tat
beizustehen, nicht ausschließen, aber es ist schwieriger.
Der Entschluss, „vollkommen enthaltsam zu leben“, wird bei geschiedenen
wiederverheirateten Paaren nur im Zusammenhang mit einem tiefgreifenden
spirituellen Prozess möglich sein und setzt die freiwillige Entscheidung beider
voraus.
Das Engagement in der kirchlichen Gemeinde mit und für wiederverheiratet-
geschiedene Gläubige wird je nach ihrer persönlichen Situation und Einstellung
in unterschiedlichen Formen und Graden möglich sein: im sozialen Bereich, beim
Kirchenchor, bei administrativen Aufgaben können sie ohne weiteres zur
Mitarbeit eingeladen werden.
Von besonderer Bedeutung ist die Betreuung der Kinder aus Familien
wiederverheirateter Geschiedener. Sie erfordert ein besonderes
Einfühlungsvermögen seitens des Pfarrers, der Katecheten und aller Personen,
die für die religiöse Unterweisung, die Vorbereitung für den Sakramentenempfang, die Jugendarbeit usw. zuständig sind.
Es ist gut, die Eltern dieser Kinder, sofern sie dazu bereit sind, immer wieder
einzubeziehen. Delikate Situationen sind dabei möglichst im voraus zu bedenken.
Wenn bereits kirchlich verheiratete geschiedene Gläubige eine Ziviltrauung
eingehen und um eine kirchliche Feier bitten, ist zu beachten, dass alles zu
vermeiden ist, was den Eindruck einer neuen sakramental gültigen Eheschließung
erwecken könnte. Erlaubt ist privates Gebet für die einzelnen Partner, für
ihren Glaubens- und Bekehrungsweg, für die Kinder usw..
Man kann ihnen auch anraten, eine private Wallfahrt (ohne besonderen
Gottesdienst) oder ähnliches zu unternehmen.
Zur
Verbesserung des pastoralen Bereiches für Geschiedene und wieder-verheiratete
Geschiedene wäre wichtig:
Alle
Seelsorger sollten dazu befähigt sein, Eheleuten, Personen in Krise, in
Scheidung oder anderen irregulären Situationen eine solide seelsorgliche
Begleitung zuteil werden zu lassen. Es wird notwendig
sein, dafür geeignete Aus- und Fortbildungen für den Klerus vorzusehen.
Es ist sehr
wichtig, Vorsorge zu treffen, dass das Ehegericht der Größe der Diözese
entsprechend ausreichend personell ausgestattet ist, um zu erreichen, dass
Konsultationen im Zusammenhang mit Fragen der Ehegültigkeit möglichst kompetent
wahrgenommen und Annullierungsverfahren in einer zumutbaren Frist durchgeführt
werden können.
In jeder
Diözese sollten genügend Beratungsstellen eingerichtet sein, in denen Ehepaare,
Geschiedene, wiederverheiratete Geschiedene Rat suchen und auf der Grundlage
des katholischen Eheverständnisses Hilfe finden können.
Eine
besondere Aufmerksamkeit muss der Jugendarbeit im Sinne einer Be-rufungspastoral (auch Ehe als Berufung verstanden) zuteil werden. Wichtig sind auch Einrichtungen wie Rainbows für Scheidungskinder, Meditations-Angebote in
Krisensituationen und Erziehungshilfen für Alleinerzieher.
Alle, gerade
auch geschiedene und wiederverheiratet-geschiedene Gläubige sollten ermutigt
werden, einen Glaubensweg zu beschreiten. Die Pflege des Gebetes - insbesondere
eucharistische Anbetung kann erfahrungsgemäß eine große Hilfe bedeuten -,
Beschäftigung mit dem Wort Gottes, Auseinandersetzung mit dem Glauben, Einsatz
im sozialen, caritativen Bereich und wenn möglich persönliche geistliche
Begleitung werden wirksame Hilfen sein, um Schwierigkeiten und Hindernisse zu
überwinden und jene Hoffnung zu entdecken, die mit Sicherheit zum Ziel führt.