Ist Europa noch christlich

Dies ist das Manuskript für eine in Radio Maria am 8. November 2002 ausgestrahlten Sendung.

1. Einführung

Liebe Hörer von Radio Maria, ist Europa noch christlich?
Anders formuliert: Steht Europa noch fest auf christlichen Fundamenten, sind die christlichen Fundamente beschädigt oder gar schon zerstört?

Als ich diese Frage nach dem christlichen Europa in mein Herz eindringen ließ ist mir eine andere Frage in den Sinn gekommen, nämlich die Frage von Johannes dem Täufer, der von Unsicherheit geplagt, vom Gefängnis aus seine Jünger zu Jesus schickte und ihn fragen ließ: „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ Matt 11,3

Johannes der Täufer hat von Jesus eine klare Antwort erhalten:

„Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf,
und den Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.“ Matt 11,5-6.

Die Frage des Johannes war damit beantwortet und er wusste, Jesus ist der Messias, mit ihm wird eine neue Zeit beginnen; eine Zeit, die von den genannten Zeichen begleitet sein wird.

Als Paulus auf Grund einer nächtlichen Vision nach Europa fuhr um dort das Evangelium zu verkünden, war der Grundstock der Christianisierung Europas gelegt. Das Christentum prägte die Geschichte, Kunst, Kultur und Politik dieses Kontinents trotz aller menschlichen Unzulänglichkeiten und Fehler. Das Sinnbild des Christentums, das Kreuz, eroberte nicht nur die Kirchtürme, sondern auch die öffentlichen Gebäude und selbst die Gipfel der Berge.

Seit der Christianisierung Europas wiederholen sich in allen Jahrhunderten die von Jesu aufgeführten Geschehnisse – sowohl in wörtlichem als auch in übertragenem Sinn: „Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.“ Matt 11,5-6.

Aber zu unserem Thema: „Ist Europa heute noch christlich?“

Es gibt sicher viele Möglichkeiten, diese Frage zu beantworten.
Ich habe mir für heute vorgenommen, der Frage nach einem christlichen Europa anhand der Kriterien nachzugehen, die Jesus aufzählt. Es sind Kriterien für ein messianisches Reich und daher auch Kriterien für ein christliches Europa.

Meine Frage nach einem christlichen Europa möchte ich allerdings teilen;
zum Ersten im Blick auf die Mehrheit der Europäer
zum Zweiten im Blick auf die Qualität des Glaubens eines überzeugten „Kernes“

2. Ist die Mehrheit der Europäer noch christlich?

Nach den Kriterien Jesu müssten Blinde wieder sehen – aber …

die heutige Blindheit und Interesselosigkeit in Europa gegenüber Kirche und Religion ist kaum mehr zu überbieten. Die Regierungen agieren so, als hätte Europa keine christlichen Wurzeln, als sei es nie vom Christentum berührt worden.
Der Dekalog, die Zehn Gebote Gottes wurden dem Markt der Meinungen unterstellt. Menschenmeinung triumphiert über Gottes Gesetz.

Diese Liste der kollektiven Blindheiten kann beliebig fortgesetzt werden – und sie wird von Tag zu Tag länger! Entsprechend dem Wort Jesu kann man hierzu nur sagen: „Einst Sehende sind nun blind geworden.“

Taube müssten hören – aber …

praktisch alle Europäischen Staaten verschließen ihre Ohren vor den Forderungen des Evangeliums und dem Rufen moderner Propheten.
Ohne auf Gott und die Propheten zu hören kommt es aber zwangsläufig zu den eben erwähnten Entwicklungen.
Ein Beispiel: Christa Meves hat schon vor Jahrzehnten die deutschen Politiker vor dem negativen Einfluss vieler politischer Entscheidungen gewarnt:

Christa Meves schrieb mehr als 100 Bücher – ihr Rufen blieb ungehört!
Wie aber kann jemand auf Gott hören, wenn quer durch Europa mit Embryos experimentiert wird, das Kreuz immer mehr seinen Platz verliert und von einem Spitzenpolitiker sogar in den Keller verbannt wurde?

Tote müssten heute auferstehen – aber …

Europa hat sich durch die Christianisierung vom Dämonenglauben und von heidnischen Riten befreit und ist deshalb zur kulturellen und wirtschaftlichen Großmacht erblüht.
Heute jedoch beherrscht diesen Kontinent Esoterik und New-Age und wie Papst Johannes Paul II. es formulierte – die „Kultur des Todes“!

den Armen sollte das Evangelium verkündet werden – aber …

Kardinal Meisner hat es vor kurzem sehr treffend formuliert:
"Wir machen immer mehr Organisationen und mehr Gremien - das macht die Kirche tot". Er sagte, dass wir den Atem und den Heiligen Geist verlieren und es nottut uns zu entschlacken um schlanker zu werden. Der Kardinal verwies darauf, dass die derzeitige Kirche ein "müder Haufen" sei.
Ich stimme dem Kardinal voll zu! Die christlichen Kirchen haben sich hinter ihren Schreibtischen und Strukturen verschanzt und sie betreiben ineffizient große Apparate, die „vor lauter Strukturen, Statuten, Sekretariaten und Kommissionen zu einer reinen Organisation erstarren.“ Auch in meinem im Miriam-Verlag erschienenen Buch „Diagnos Krebs“ zeige ich in Gesprächsform viele Krankheiten in der Katholischen Kirche auf, die dazu führen, dass das Evangelium nicht verkündet, sondern verschüttet wird.

So erlangen die Worte Paulus aus dem Römerbrief neue Aktualität:

„Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt?“ Röm 10, 14

Jesus sagt: Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt – aber …

Vor zehn Jahren wurde das II. Vatikanische Konzil eröffnet. Es war ein Konzil der Versöhnung und der Barmherzigkeit. Trotzdem nehmen heute viele Anstoß an der Kirche, denn sie spricht noch immer von der „Heilswahrheit“, die der Welt verkünden sollte (Kirche und Welt 28).
Das Festhalten der Kirche an der geoffenbarten Wahrheit Jesu ist nicht nur Politikern und Medien, sondern sogar manchen Priestern, Bischöfen und Kardinälen ein Dorn im Auge und sie nehmen Anstoß an Jesus und seiner Kirche.

Wenn Sie, liebe Hörer, Augen und Ohren offen halten, dann werden sie Tag für Tag erfahren, dass viele, die berufen wären, das Evangelium zu verkünden, am Evangelium Anstoß nehmen!
Erst in den letzten Tagen wurden die neunen Statistiken über das Glaubensbekenntnis der Österreicher veröffentlicht. In den letzten zehn Jahren hat der Prozentsatz der Katholiken Wiens von 58% auf 48% abgenommen und die Zahl der Menschen ohne Bekenntnis beträgt in Österreich eine Million!

3. Gibt es in Europa noch einen „überzeugten Kern“ von Gläubigen?

Zunächst einmal:

Es gibt in Europa eine zunehmende Zahl von bewusst Gläubigen, aktiven Christen. Vielleicht ist dies ein „Heiliger Rest“ oder doch ein neuer Kern, der neues Leben für ganz Europa verspricht. Diese wenigen Christen – vielleicht sind es zwei oder drei Prozent der Christenheit – entdecken die Kirche mit all ihren Schätzen ganz neu; sie gehen meist täglich zur hl. Messe, beten und opfern. Sie sind marianisch, eucharistisch und Papsttreu, sie kennen einander und sie vernetzen sich immer mehr.

Ein wesentliches Zeichen dieser Christen Europas ist, dass sie zumeist ehrenamtlich für die Kirche arbeiten. Nicht selten werden sie sogar von der Amtskirche bzw. von etablierten Strukturen der Kirche angefeindet und behindert.

Blinde sehen wieder

Dieser sich immer mehr formierende Kern von Menschen erkennt die wahren Gefahren in der Kirche und weist auch andere auf diese Gefahren hin. Radio Maria, Radio Horeb, KATH-NET und viele andere Einrichtungen legen dafür Zeugnis ab.

Taube hören

Durch die Liebe zu Gott getrieben, verkündet dieser sich etablierende „Kern“ das Wort Gottes und verwendet dazu auch viele modernen Mittel. Jugendliche treten ein für das Leben, verschaffen sich Zutritt zu internationalen Gremien, vereinigen sich in katholischen Gruppen, vertiefen sich in das Wort Gottes, stärken einander bei vielen internationalen Treffen – vom Weltjugendtag angefangen bis zum Pfingstreffen in Salzburg oder im Stift Rain.

Tote stehen auf

Vor allem junge Menschen setzen sich für das werdende Leben ein, angefeindet von Abtreibungsbefürwortern und oft genug behindert auch von kirchlichen Gruppierungen.
Kardinal Lopez Truillo hat gesagt: „Es wird der Tag kommen, wo die Menschen mit klarem Gewissen, ähnlich wie bei der Sklaverei und Rassendiskriminierung, die Schande dieser Verbrechen spüren werden.“
Auch der religiöse Neuaufbruch ist unübersehbar. Es ist vielleicht nicht die Zahl an Bekehrungen überwältigend, die Qualität der Umkehr jedoch ist beachtlich.
Wenn ein junger Mann z.B. nach seiner Umkehr in Medjugorje nach Hause kommt und seiner Freundin mitteilt, dass er jetzt mit ihr nicht mehr schlafen werde und bis zur Ehe warten möchte, dann ist dies sicherlich beeindruckend.

den Armen wird das Evangelium verkündet

Vor allem junge Gruppen spüren, dass man sich ungeteilt für die Verkündigung des Evangeliums einsetzen muss. Aus diesem Grunde besuchen junge Menschen Evangelisationsschulen – z.B. jene von der Gemeinschaft Emmanuel. Oder es finden sich Menschen, die eine 4-semestrige Ausbildung zum Katechisten auf sich nehmen, um anschließend ehrenamtlich in der Evangelisation tätig sein zu können.

Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt

Gerade jener „Kern“ hat in Dankbarkeit die Enzykliken des Papstes und den Weltkatechismus angenommen und studiert. Auch die neuen Heiligen z.B. eine Sr. Faustine, ein P. Pio werden bereitwillig verehrt und um ihre Fürsprache angerufen. Jener „Kern“ kennt die Botschaft des „Barmherzigen Jesus“, die Botschaften von Fatima und Amsterdam.

4. Zusammenfassung

Ist Europa noch christlich?

Meine erste Antwort lautet: NEIN!

Nein, Europa ist ganz und gar dem Heidentum verfallen.

Ist Europa noch christlich?

Meine zweite Antwort lautet: JA!

Ich würde also zusammenfassend sagen:

Im Kern ist Europa noch christlich.
Dieser leidende und in die Kirche hineinsterbende Kern ist die Hoffnung für eine neue Fruchtbarkeit der Kirche Europas.

Und schließlich gilt die Verheißung von Fatima besonders für Europa. Maria sagt:

„Am Ende aber wird mein unbeflecktes Herz triumphieren.“

Um diesen Sieg zu beschleunigen hat wohl Papst Johannes Paul II am 16. Oktober 2002 ein „Jahr des Rosenkranzes ausgerufen“, das bis zum Oktober 2003 dauern soll. Am 16. Oktober hat der Papst auch das Apostolische Schreibens „Rosarium Virginis Mariae“ veröffentlicht, in dem er sagt: „In Zeiten, in denen die Christenheit selbst bedroht war, hat dieses Gebet (der Papst meint den Rosenkranz) zur Errettung aus Gefahr beigetragen…“ und er fährt etwas später mit den Worten fort:

„Die Probleme, die die Bühne der Welt zu Beginn dieses neuen Jahrtausends zeigt, bringen uns auf den Gedanken,
dass nur ein Eingriff von oben … auf eine weniger dunkle Zukunft hoffen lässt.“

Damit unsere Welt wieder heller wird, möchte ich mit Ihnen das Gebet der „Frau aller Völker“ aus Amsterdam beten und Sie ersuchen, dieses Gebet als Sturmgebet für die Kirchen Österreichs und Europas einzusetzen.

„Herr Jesus Christus,
sende jetzt deinen Geist über die Erde,
lasse den Heiligen Geist wohnen
in den Herzen aller Völker,
damit sie bewahrt bleiben mögen
vor Verfall, Unheil und Krieg.
Möge die Frau aller Völker,
die einst Maria war,
unsere Fürsprecherin sein.“
AMEN