von
Diözesanbischof/Familienbischof DDr. Klaus Küng
Sehr
geehrter Herr Erzbischof, lieber Weihbischof Andreas!
Sehr geehrter Herr
Doktor Rötzer!
Liebe
Angehörige!
Verehrte Damen und Herren!
Der Anlass, der uns an diesem
Sonntagnachmittag in St. Virgil zusammenführt, ist ein besonderer: die
Verleihung des Gregoriusordens mit Stern an Dr. Josef Rötzer. Es ist mir eine
große Freude und Ehre, ihm diese Päpstliche Auszeichnung im Namen des Heiligen
Vaters überreichen zu dürfen.
Dr. Rötzer hat bereits im Jänner 1990 aus den Händen des Kardinals Edouard
Gagnon das Komturkreuz des Gregoriusordens empfangen. Das war schon eine sehr
hohe Päpstliche Auszeichnung. Wenn ich trotzdem in Absprache mit Bischof
Maximilian, seinem zuständigen Ortsbischof, um eine weitere, noch etwas höhere
Päpstliche Ehrung angesucht habe, dann hat dies Gründe, die den Einsatz Dr.
Rötzers im Bereich der Kirche in Österreich betreffen, aber auch mit den großen
Anliegen im Zusammenhang stehen, die viele von Ihnen, die Sie heute hier
anwesend sind, und viele Menschen im Herzen tragen.
Es geht nicht nur um die Erforschung und die Verbreitung der natürlichen
Empfängnisregelung, das Thema, dem sich Dr. Rötzer seit mehr als 50 Jahren mit
außerordentlichem Engagement widmet und um das er sich sehr große Verdienste
erworben hat; es geht in Wirklichkeit um mehr. Denn dieses Thema hängt mit
Fragen zusammen, die für jeden Menschen wesentlich sind;
Außerdem
wurden durch die Nichtannahme der Enzyklika Humanae Vitae die inneren
Entwicklungen der Kirche in den letzten Jahrzehnten in einem nicht
unwesentlichen Maße beeinflusst, nicht zuletzt deshalb, weil auch heute noch die
Meinung weit verbreitet ist, natürliche Empfängnisregelung, die vom kirchlichen
Lehramt unter bestimmten Voraussetzungen einzig und allein als Weg zur
Empfängnisregelung akzeptiert ist, sei nicht genügend „sicher“ und für viele
Partnerschaften schwierig, also kaum oder nicht zumutbar. Der weit verbreitete
Dissens zum kirchlichen Lehramt in diesem Punkt war der Anfang eines allmählich
fortschreitenden, auch auf andere Lehraussagen der Kirche übergreifenden,
inneren Distanzierungsvorganges. Heute ist die Relativierung des kirchlichen
Glaubens, insbesondere der Gebote Gottes, so wie sie von der Kirche vermittelt
werden, Gang und Gäbe. Die Ablehnung der Enzyklika Humanae Vitae hat in einem
hohen Maße zum Verlust des kirchlichen Autoritätsanspruches bei vielen geführt,
sie hat also schlimme Folgen. Schließlich kann auch nicht übersehen werden,
dass die durch die Ausbreitung von Empfängnisverhütungsmittel begünstigte
Sex-Revolution arge Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft mit sich gebracht
hat, insbesondere für die Familie und die demographische Entwicklung in den
Wohlstandländern.
Wenn sich Dr. Rötzer dem Thema der natürlichen Empfängnisregelung zuwandte,
dann wohl deshalb, weil sich mehreres gut fügte: eine nicht unwesentliche Rolle
spielte, dass ihm und seiner Frau in kurzer Zeit drei Kinder geschenkt wurden
und es ratsam schien zu überlegen, wie es weitergehen sollte. Ein günstiger
Zufall war weiters, dass er bei der Wiener Frühjahrsmesse 1951 das Angebot
eines Frauenthermometers zur Messung der morgendlichen Temperaturen bemerkte.
Das ärztliche Interesse regte sich: er begann nachzulesen, was in der
medizinischen Literatur damals über das Thema der natürlichen
Empfängnisregelung zu finden war. Seine Gattin war damit einverstanden, in der
Praxis auszuprobieren, was theoretisch nur teilweise bekannt war. Mit ihr
zusammen konnte er erste Erfahrungen sammeln, die später durch viele Frauen,
die er beriet, bestätigt und verfeinert wurden.
Seine Glaubensüberzeugung war für seinen Einsatz im Bereich der natürlichen
Empfängnisregelung bedeutend. Er ist in Wien geboren, besuchte dort die
Volksschule und das Gymnasium; er war Mitglied der Marianischen Kongregation,
die ihm einen festen Halt gab. Nach der Matura 1938 musste er für den
Polenfeldzug 1939 einrücken. Er nahm eine Kiste Bücher mit, auch die Heilige
Schrift, und wurde, weil er ohne Scheu vor den anderen Soldaten in der Heiligen
Schrift las und sich zum Glauben an Christus bekannte, wegen „Zersetzung der
Truppe“ zurück nach Österreich strafversetzt. Das war sein großes Glück, weil
er so von Stalingrad verschont blieb, wo alle seine Kriegskameraden in
Gefangenschaft gerieten. Von Jugend an war er ein Mann des Glaubens. Seine
Haltung wurde bestärkt, als er während eines Einsatzes im Krankenhaus
Vöcklabruck seine Frau Margaretha kennen lernte, die ebenfalls dem Glauben
zugetan war. Dieser Glaube war später für seine Forschung wichtig, denn er
sagte sich:
So
begann er, sich mit den Fragen der natürlichen Empfängnisregelung zu befassen,
suchte nach praktikablen Wegen, sammelte Unterlagen und Erfahrungen. Sein Buch
„Natürliche Empfängnisregelung – die symptothermale Methode – der
partnerschaftliche Weg“ war und ist mit inzwischen bereits 26 Auflagen und 16
Übersetzungen ein großartiger Erfolg. Nach seiner Veröffentlichung setzte seine
vielfältige Vortrags- und Kurstätigkeit ein. Er erhielt auch Lehraufträge an
Universitäten und pastoralen Instituten. Gerade bei den Jüngeren fand er offene
Ohren. Sehr bald setzten aber, vor allem im Zusammenhang mit dem Aufkommen der
„Pille“, die innerkirchlichen Auseinandersetzungen ein. Maßgebliche
Moraltheologen nahmen für die „Pille“ Stellung, auch manche Bischöfe deuteten
an, dass sie sich eine Akzeptanz der neuen Verhütungsmittel durch die Kirche
sehr wohl vorstellen könnten.
Unter den Ärzten waren die Reaktionen unterschiedlich, viele waren eher
skeptisch. Es mag unter anderem damit im Zusammenhang stehen, dass wir Ärzte
auf Grund des an den Universitäten vorherrschenden, naturwissenschaftlich
geprägten, oft stark reduktionistischen Menschenbildes dazu neigen, immer und
für alles, wenn es nützlich und hilfreich scheint, eine Pille zu verschreiben
oder Eingriffe vorzunehmen, ohne zu bedenken, dass die Durchführung einer
zeitweise oder dauerhaften Sterilisierung – sowohl beim Mann als auch bei der
Frau - einen tief greifenden Eingriff in das Personsein darstellt, aber auch
die dem Geschlechtsakt innerlich zukommende Bedeutung beeinflussen kann. Auch
unter den katholischen Ärzten waren (und sind) die Meinungen geteilt. Es sind
auch heute wahrscheinlich nur sehr wenige Ärzte, die die Richtlinien der
Enzyklika Humanae Vitae genau kennen und daraus Konsequenzen für ihren
ärztlichen Dienst ableiten.
Dr. Rötzer erzählt von einer
Tagung deutscher Theologen und katholischer Ärzte Ende der Sechzigerjahre:
zunächst waren die anwesenden Ärzte bei den rein medizinischen Beratungen
einig, dass Rötzers Methode der Empfängnisregelung bei richtiger Anwendung eine
hohe Zuverlässigkeit besitze und keine Nebenwirkungen zeige. Nach der
Wortmeldung eines bekannten Moraltheologen aber kam es zu einem
Meinungsumschwung. Sie unterschrieben in der Folge einen Brief an den Heiligen
Vater mit der Forderung, die katholische Lehre bezüglich Empfängnisverhütung zu
ändern. Dr. Rötzer hat als einziger den Brief nicht unterzeichnet. Er geriet
mit seinen Bemühungen, die symptothermale Methode zu verbreiten, mitten in die
kirchlichen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der
Enzyklika Humanae Vitae.
Vom 1. September 1966 bis zum 31. Dezember 1974 wurde er vom amtsärztlichen
Dienst in Oberösterreich freigestellt und von der Österreichischen
Bischofskonferenz zur Durchführung weiterer Forschungsarbeiten auf dem Gebiet
der natürlichen Empfängnisregelung übernommen. Nach erfolgter Pensionierung zu
frühest möglichem Zeitpunkt führte er seine Arbeit in Eigenregie weiter. Das
hat ihm eine Freiheit ermöglicht, die er sonst nicht gehabt hätte. Sein großes
Verdienst ist es, dass er diese Freiheit großherzig, mit allen Kräften und mit
einem hohen Verantwortungsbewusstsein genützt hat. 1980 wurde er eingeladen,
vor der Bischofssynode in Rom zum Thema „natürliche Empfängnisregelung“ zu
sprechen.
Die innerkirchliche Situation hat sich nach dieser Synode und nach
Veröffentlichung des apostolischen Schreibens „Familiaris Consortio“ kaum
verändert. Insbesondere die für die Ausbildung und die Familienpastoral
maßgeblichen Kreise beharrten auf ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der
Enzyklika „Humanae Vitae“. Die Fronten haben sich in den letzten Jahren eher
verhärtet. Dr. Rötzer ist es gelungen, trotz dieser Situation und vielfach an
den offiziellen kirchlichen Einrichtungen vorbei, Multiplikatoren auszubilden
und auch in vielen anderen Ländern der Welt wirksam zu werden. 1986 kam es zur
Gründung des „Instituts für natürliche Empfängnisregelung Dr. Rötzer“. Durch
ihn hat eine große Zahl von Menschen, trotz der widrigen Umstände innerhalb der
Kirche und der ablehnenden Haltung vieler Ärzte, Zugang zur Lehre der Kirche
gefunden; für viele von ihnen war und ist das gleichbedeutend mit einer
positiven Einstellung zum Glauben an Christus und die Kirche.
Es ist ein besonderes Verdienst von Dr. Rötzer, dass er sich nicht nur mit dem
medizinischen und mehr praktischen Aspekt der natürlichen Empfängnisregelung
befasst, sondern sich zunehmend auch den tieferen Fragen der Anthropologie und
der Schöpfungstheologie zugewandt hat. Sehr bald bemerkte er, dass es sich bei
der Umsetzung der natürlichen Empfängnisregelung nicht bloß um die Anwendung
einer bestimmten Methode der Empfängnisregelung handelt, sondern um eine
Lebensweise, die eine bestimmte Grundeinstellung voraussetzt und tiefergehende
Folgen auslöst. Vor allem wird durch diesen Weg die partnerschaftliche
Beziehung vertieft und die Schöpfungsordnung Gottes in einer unvergleichlichen
Weise erlebt. Diese Einsichten machten ihn auch für zu flache oder falsche
Darlegungen der natürlichen Empfängnisregelung sensibel, die in den letzten
Jahren da und dort gerade auch innerkirchlich zu bemerken waren.
Etwas mehr als 30 Jahre nach
Veröffentlichung der Enzyklika Humanae Vitae erkennen wir sehr deutlich, wie
recht Papst Paul VI. mit seinen düsteren Prognosen hatte, die er für den
Fall der Nichtbeachtung der kirchlichen Lehre bezüglich Empfängnisverhütung
voraussah: die Zunahme des außerehelichen Geschlechtsverkehres, die Ausbreitung
sexueller Perversionen, die schwerwiegenden Schäden bei Jung und Alt. Dies
alles ist eingetroffen;
manche spätere Entwicklungen hat man sich damals, bei Veröffentlichung der
Enzyklika Humanae Vitae 1968, kaum vorstellen können: z.B. dass das
Zusammenleben, ohne verheiratet zu sein, auch in an sich christlichen Ländern
zu etwas durchaus Normalem, gesellschaftlich Akzeptierten, oder die „Probeehe“
zur üblichen Art der „Prüfung“ werden, ob eine Ehe in Frage kommt. Heute müssen
wir – auch in Hinblick auf die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte sagen – dass
sich dieses „Ausprobieren“ in keiner Weise bewährt. Vor allem aber sind die
Auswirkungen der Nichtbeachtung der Enzyklika Humanae Vitae auf die Eheleute
selbst wahrscheinlich viel größer als es die meisten wahrhaben wollen. Die
verschiedenen Formen der Verhütung dürften nicht selten dazu beitragen, dass
die eheliche Liebe unterminiert wird, weil ohne die Notwendigkeit gegenseitiger
Rücksicht der eigene Genuss gesucht wird. Es mag sogar vorkommen, dass bei
einem Paar die gegenseitige, wahre, ganzheitliche Hingabe gar nicht zustande
kommt, weil sie durch Anwendung von Empfängnisverhütung niemals wirklich gelebt
wird. Die Zahl der Abtreibungen hat in den letzten Jahrzehnten trotz massiver
Aufklärungsbemühungen, verbunden mit Propaganda für Empfängnisverhütung (oder
gerade deswegen), nicht ab-, sondern eher zugenommen. Natürliche Empfängnisregelung,
die mit der Haltung einer wahren Liebe zu Gott und zum Ehepartner motiviert
ist, sensibilisiert für das Geheimnis des Lebens. Vor allem aber nehmen junge
Menschen Schaden, weil sich frühe intime Beziehungen sehr stark verbreitet
haben.
In dieser Situation, in der Priester, viele kirchliche Mitarbeiter keine Hilfe
sind, obwohl sie eine sein sollten, in der die Nöte vieler Menschen wegen ihrer
falschen Lebensweise groß sind, hat Dr. Rötzer hoffnungsvolle Gruppen mit einer
positiven Einstellung zu Ehe und Familie, auch zum Leben, konkret zu Kindern
gebildet. Die Lösung der Frage, mit der er sich beschäftigt hat, schafft Zugang
zu anderen wichtigen Fragen.
Dr. Rötzer spricht mit Überzeugung und innerem Engagement über die Themen des
Lebens und der Liebe. Menschen wie er sind wegweisend. Und damit kommen wir zur
Erklärung, warum die Ehrung, die wir heute vornehmen, wichtig ist als Zeichen
der Anerkennung für ihn, aber auch als Ermutigung für alle, die sich auf dem
gleichen Weg wie er befinden.
So darf ich herzlich gratulieren, Gottes Segen wünschen und die Verleihung des
Gregoriusordens mit Stern vornehmen.
Bischof
Klaus Küng