Der
Glaube an Jesus Christus, den Erlöser
„Seid
gewiss, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt“ (Mt. 20,20)
Liebe
Mitchristen!
Mit diesem geistlichen Rundbrief möchte ich jeden von Euch sehr herzlich dazu
ermutigen, sich engagiert bei der Vorbereitung des großen Jubiläums 2000 zu
beteiligen, damit bei uns allen und bei möglichst vielen Menschen der Glaube an
Jesus Christus entfacht wird.
Vor etwas
mehr als zwei Monaten wurden zwei Priester unserer Nachbardiözese Innsbruck
selig gesprochen: Pfarrer Neururer und P.Gapp. Ihr
Glaubenszeugnis ist beeindruckend und beinhaltet für unsere Zeit eine wichtige
Botschaft. Sie haben ihr Leben in Treue zu Christus hingegeben. Auch in unserer
Diözese gab es in der nationalsozialistischen Kirchenverfolgung Blutzeugen:
allen voran Provikar Carl Lampert, dessen
Seligsprechungsprozess noch aussteht; auch P. Reinisch
ist für den Glauben gestorben. Außerdem haben mehrere andere Priester - wie
z.B. Dekan Schelling, Pfarrer Gächter oder Pfarrer
Knecht - des Glaubens wegen den Terror der Konzentrationslager erlitten.
Würde heute
jemand für den Glauben sein Leben hingeben? - Ich glaube JA. Es gibt auch in
unserer Zeit - wahrscheinlich mehr als es die öffentliche Meinung annehmen
würde - tiefgläubige Christen, die mit aller Konsequenz für den Glauben
einstehen, auch wenn sicherlich nicht wenige - vielleicht ist es die Mehrheit?
- eine Art „Auswahlglauben“ bevorzugen, d.h. aus den Glaubensinhalten
auswählen, was nach ihrem oder dem Empfinden einer angeblichen Mehrheit als
gültig angesehen wird. Dabei besteht natürlich die Gefahr, dass sie sich den
Glauben nach eigenem Gutdünken zurechtlegen und unter Umständen gar kein echt
christlicher Glaube mehr vorliegt. Häufig ist damit verbunden, dass viele nicht
mehr wissen, welche Hilfe sie durch den echten Glauben empfangen könnten.
Vor einiger
Zeit besichtigte ich eine berühmte Stiftsbibliothek, die über mehrere sehr alte
Handschriften verfügt. Es handelt sich um Fragmente, die nur dadurch erhalten
geblieben sind, dass in einer Epoche, in der die alten Schriften als unwichtig
angesehen und fast zur Gänze vernichtet wurden, manche als Einbandhüllen von
Büchern Verwendung fanden. Diese „Einbände“ sind heute das Wertvollste der
ganzen Bibliothek. Durch Jahrhunderte hindurch hatten die Mönche nicht gewusst,
welche Werte sie besitzen. Geht es uns so ähnlich?
Wenn ich in einem unserer vielen modernen, meist
geschmackvoll und heimelig eingerichteten Restaurants einen alten
Herrgottswinkel, eine schöne Madonna oder andere religiöse Gegenstände als
Dekoration entdecke, kommt mir die Frage, ob noch jemand davor betet. Sogar bei
wichtigen Zeremonien - wie z.B. einer Erstkommunion, einer Firmung oder einer
Trauung - lässt sich bisweilen nicht übersehen, dass sie für manche anscheinend
einfach ein „Fest“ unter anderen sind, ein schöner Brauch, etwas, was immer
schon üblich war und bei bestimmten Lebensabschnitten dazugehört. Es ist nicht
verwunderlich, dass sich diese „Zeremonien“ im Leben jener, die mit solchen
Einstellungen teilnehmen, praktisch nicht auswirken. Ich habe manchmal den
Eindruck, dass die Situation einem Arzt gleicht, der zwar ein wirksames
Medikament zur Verfügung hätte, aber seine Patienten nicht von seiner Heilkraft
überzeugen kann.
Als Jesus
erst nach dem Tod des Lazarus in Betanien eintrifft,
sagt Martha zu ihm: „Wärest du dagewesen, dann wäre mein Bruder nicht
gestorben. Aber auch jetzt weiß ich: alles, worum du bittest, wird Gott dir
geben“ (Joh 11,21-22). Gerade darin besteht das große Geheimnis der Kirche,
dass in ihr und durch sie das Erlösungswerk Jesu, ja Er selbst bis ans Ende der
Zeiten gegenwärtig bleibt. Anscheinend ist dies nur wenigen bewusst, vielleicht
vergessen wir bisweilen fast alle darauf, glauben zuwenig
daran. Vor einiger Zeit sagte zu mir jemand, der selbst kein Katholik ist, aber
offenbar über die Glaubensinhalte der Kirche recht gut Bescheid weiß: „Wenn die
Katholiken wirklich glaubten, was die Kirche lehrt, nämlich dass Christus bei
jeder Hl. Messe mit Leib und Blut selbst gegenwärtig wird, würden sie keine
einzige Messe auslassen!“ Diese Bemerkung gab mir zu denken.
In unseren
Schulen frage ich manchmal die Kinder und Jugendlichen nach der Bedeutung des
Kreuzes. Es mag sein, dass sie durch die unmittelbar gestellte Frage überrascht
sind und deswegen in der Antwort zögern; jedenfalls habe ich aus der Art der
Antworten den Eindruck, dass der Glaube an das Geheimnis der Erlösung
schwindet. Es handelt sich jedoch um eine zentrale Frage, vor allem um die
feste Grundlage unserer Zuversicht! „Du bist meine Kraft“, „Du bist mein Heil“,
beten wir mit dem Psalmisten. Und in Bezug auf den guten Hirten heißt es: „Er
lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er
stillt mein Verlangen.“ (Ps 23,2ff). Gerade darin besteht die für uns wichtigste
Botschaft: Er - der Heiland und Erlöser - ist lebendig unter uns und verlässt
uns nicht, selbst dann, wenn vieles schief gelaufen ist, und wir große Fehler
begangen haben!
Der Erlöser
ist und bleibt unter uns. Das ist unser Glaube: Als die Fülle der Zeit gekommen
war, sandte Gott seinen Sohn (vgl Gal 4,4). Jesus
wurde getötet, weil er nach dem Empfinden der Pharisäer und Schriftgelehrten
durch die Behauptung, er sei Gottessohn, Gott gelästert hat (Lk 22,70-71). Er
wurde von den Seinen nicht aufgenommen (vgl Joh
1,11). Er aber liebte die Seinen bis zur Vollendung (vgl
Joh 13,1). Er ist dem Tod nicht ausgewichen. Durch seine Wunden sind wir
geheilt (Jes 53,5). Er wird von den Toten auferweckt und lebt. Mit seinem
Leiden und Sterben zeigt er, wie weit Gottes Liebe reicht. Seinen Jüngern
vertraut er an: „Dies ist mein Leib, der für euch hingegeben wird... und dieser
Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird“ (Lk
22,19-20). Er zeigt seine Liebe zum Vater durch seinen Gehorsam bis zum Tod,
bis zum Tod am Kreuz. Deswegen ist sein Name über allen Namen (vgl Phil 2,8).
Dieser
gleiche Christus bleibt in der Kirche gegenwärtig. Er verheißt seinen Jüngern:
„Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt“ (Mt. 28,20).
Wir können
mit Ihm eins werden in seinem Leiden und Sterben: Er ist treu, auch wenn wir
nicht treu sind. Durch Ihn können wir Gott loben und preisen wie es für Gott -
auch für uns - angebracht ist. Ohne Ihn würden wir an unseren Grenzen
scheitern. Durch Ihn, mit Ihm und in Ihm können wir Gott um alles bitten, was
für uns und andere nötig ist. Wir können von seinem Leben empfangen, das für
uns Ansporn und Quelle der Liebe ist, Keim des ewigen Lebens. Er verlässt sie Seinen nicht! Durch die Kirche, insbesondere durch ihre
Sakramente, die er eingesetzt hat, wird dies möglich. Zu großer Dankbarkeit
sind wir verpflichtet.
Im Konzil
wurde auf die verschiedenen Arten seiner Gegenwart hingewiesen. In der
Konstitution über die Hl. Liturgie heißt es: „Um dieses große Werk voll zu
verwirklichen, ist Christus seiner Kirche immerdar gegenwärtig, besonders in
den liturgischen Handlungen. Gegenwärtig ist er im Opfer der Messe, sowohl in
der Person dessen, der den priesterlichen Dienst vollzieht - denn „Derselbe
bringt das Opfer jetzt dar durch den Dienst der Priester, der sich einst am
Kreuz selbst dargebracht hat“ -, wie vor allem unter den eucharistischen
Gestalten. Gegenwärtig ist er mit seiner Kraft in den Sakramenten, so dass,
wenn immer einer tauft, Christus selber tauft. Gegenwärtig ist er in seinem
Wort, da er selbst spricht, wenn die Heiligen Schriften in der Kirche gelesen
werden. Gegenwärtig ist er schließlich, wenn die Kirche betet und singt, Er,
der versprochen hat: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin
ich mitten unter ihnen (Mt 18,20)“ (SC 7). Anfangs hatten manche Bedenken, dass
diese Worte des Konzils zu Verwirrung führen könnten, insbesondere zur
Verwischung dessen, was der Glaube an die Realpräsenz Christi in der
Eucharistie im Unterschied zu den anderen Arten seiner Gegenwart meint. Heute
erkennen wir - auch aufgrund mancher Fehlentwicklungen nach dem Konzil - die
Notwendigkeit einer gegenseitigen, abgewogenen Zuordnung der verschiedenen
Begegnungsweisen mit dem Herrn. Er ist da. Das sagen uns Gottes und der Kirche
Wort. In seiner Wirksamkeit hat er sich jedoch auch an unser Mittun gebunden.
Wenn es der Kirche an Wirksamkeit mangelt, dann muss es an diesem unseren Mittun liegen.
Der
gläubigen Feier der Eucharistie kommt zentrale Bedeutung zu: Christus selbst
verkündet uns in ihr Heilsbotschaft, ist in ihr mit seinem Leib und seinem
Blut, mit seinem Leiden und Sterben sowie mit seiner Auferstehung gegenwärtig.
Wir sind aufgerufen, auf Ihn zu hören, uns mit Ihm zu vereinen.
Wie wichtig wäre die richtig verstandene, vom Konzil geforderte und erhoffte
aktive Teilnahme aller Gläubigen am inneren geistig-geistlichen Vollzug der
Feier der Hl. Messe! (vgl. SC 48).
Wir sollen unsere geistlichen Gaben bringen, die persönliche Hingabe an Ihn in
jeder Feier neu vollziehen, aktualisieren. Wir können unsere Arbeit, unsere
Sorgen und Wünsche, unser Bemühen, unser eigenes Leben und die Sorgen der
anderen zu den Gaben der Kirche auf den Altar legen, Gestaltung unseres
konkreten Lebens erbitten. So wird unser Leben zur Gabe für Ihn, zum Lob des
dreifaltigen Gottes.
Diese Art der Lebensgestaltung bringt persönliche Beziehung zu Christus, zu
Gott. Sie schafft Getaufte und Gefirmte, die - wie das letzte Konzil es
anstrebt - ihre Lebenswelt im Geiste Jesu gestalten - und umgestalten.
Freilich setzt eine solche aktive Teilnahme an der heiligen Messe die Pflege
des persönlichen Betens voraus. Es ist von großem geistlichen
Nutzen, Christus, der unter den Gestalten von Brot und Wein gegenwärtig bleibt,
anzubeten und in seiner Nähe zu verweilen. Zugleich ist es erforderlich, durch
die Betrachtung der heiligen Schriften sein Wort zu suchen und wachen Herzens
zu vernehmen im Wissen, dass Er es ist, der zu uns spricht. Es gilt, die je
besondere Botschaft einer jeden Verkündigung zu erfassen und auf die eigene
Lebenssituation in Familie, Beruf und Gesellschaft anzuwenden.
Bei alldem ist niemals zu vergessen: Unser Tun ist nötig. Wenn wir auf seine
Worte „Kehrt um“ und „Folge mir nach“ nicht reagieren, keine der Botschaft
entsprechende Änderung unseres Lebens anstreben, werden wir fast unvermeidlich
in eine Routine abgleiten, die tödlich sein kann. Eucharistiefeier, Gebete und
andere fromme Übungen werden kaum wirksam werden, sofern uns nicht dieser
Zusammenhang bewusst ist. Christus ermahnt: „Nicht jeder, der zu mir sagt:
Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen,, sondern
nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt“ (Mt 7,21).
Die Eucharistiefeier muss in unseren Tag ausstrahlen und unser Gebet, unser
Sprechen mit Gott, unsere Begegnung mit Christus, die uns zu Einsichten,
Entschlüssen und Vorsätzen führt, dürfen nicht Impulse sein, die verloren
gehen. Wir müssen sie umzusetzen suchen; sie sollten ein konkretes Bemühen in
unserer Beziehung zu Gott, im Umgang mit den anderen sowie bei der Erfüllung
unserer Aufgaben mit sich bringen. Nur so nützen wir die Zeit (vgl. Joh 9,4).
Schließlich möchte ich an die Bedeutung des regelmäßigen Empfanges des
Bußsakramentes erinnern. Es ist meines Erachtens eine unverzichtbare Stütze. In
ihm begegnet uns der Erlöser in einer besonderen Weise. Er reinigt unser Herz
und verschafft uns Erleichterung, Er ermutigt und bestärkt uns in unserem
Verlangen, besser zu werden. Gerade der regelmäßige Empfang dieses Sakramentes
hilft uns, in unserem Streben nach einem echten Christsein konkrete Schritte im
Alltag zu versuchen und im Vertrauen auf die Hilfe des Herrn darin nicht
nachzulassen. Ohne regelmäßigen Empfang des Bußsakramentes wird die
eucharistische Praxis häufig äußerlich und das Gebet verliert an Kraft. Das
Hören des Gotteswortes geschieht außerdem ohne das nötige Bewusstsein: Damit
wir mit den „Augen des Herzens“ das „Wunderbare“ seiner Botschaft erkennen,
bedürfen wir seiner heiligmachenden und helfenden Gnade .
Denn ohne ihn können wir nichts tun (vgl. Joh 15,5).
Die Feier
des Jubiläums 2000, bei dem wir der Menschwerdung des Gottessohnes gedenken,
ist ein sehr großes Anliegen. Wir stoßen dabei auf die Grundlagen unserer
Hoffnung. Viele Menschen könnten ihren Weg finden, wenn sie die Früchte dieser
Menschwerdung, Christus, den in der Kirche und durch sie gegenwärtigen Erlöser,
entdeckten.
Wie kommt es zu dem wahren Aufbruch, den unsere Zeit braucht? - Machen wir
selbst den Anfang! Persönlich und gemeinsam! Sagen wir nicht, wir seien
ohnmächtig oder nur wenige. „Die Rechte des Herrn ist ungeschwächt!“ Der
Aufbruch ist bereits im Gang - dort, wo Umkehr beim einzelnen anfängt und
Nachfolge versucht wird. Wenn wir uns Christus ehrlich zuwenden und ihn in
unserem Leben eingreifen lassen, werden wir erfahren, wie wahr es ist, dass Er,
der das Werk begonnen hat, es auch vollenden wird (vgl
Phil 1,6). Sagen wir es auch an andere weiter!
Eine gesegnete Fastenzeit und ein frohes Osterfest wünscht
+ Klaus Küng