Die
Weiterführung des "Dialogs für Österreich"
„Wir
wollen uns, von der Liebe geleitet,
an die Wahrheit halten und in allem
wachsen, bis wir IHN erreicht haben.
Er, Christus, ist das Haupt“.
(Eph. 4, 15)
Liebe
Mitchristen!
Ein bewegter
Herbst liegt hinter uns. Hervorstechendes Ereignis war die Dialogveranstaltung
in Salzburg. 300 Delegierte haben drei Tage lang über die kirchlichen Themen
gesprochen, die zur Zeit von vielen für die
wichtigsten gehalten werden. Die Veranstaltung wurde überwiegend positiv
beurteilt. Die Diskussionen wurden mit Engagement und Ernst geführt. Es
herrschte eine gute Atmosphäre. In diesen Tagen wurde spürbar, dass die
teilweise sehr unterschiedlich eingestellten Delegierten allem anderen voran in
einem übereinstimmten: in einer ehrlichen Sorge um die Kirche und um die
Menschen. So entwickelte sich im Verlaufe der Tagung trotz aller Gegensätzlichkeiten eine gewisse Einheit, die zu Hoffnung
Anlass gibt.
Von vorneherein war klar, dass zur Behandlung der vorgesehenen Themen durch
eine so große Zahl von Personen drei Tage zu wenig sind; auch die
Vorbereitungszeit des „Dialogs für Österreich“ war zu knapp bemessen. Umso
beachtlicher ist die mit beispielhafter Disziplin erbrachte Leistung mit der
Erarbeitung von Texten und der Erstellung von Meinungsbildern; es ist freilich
ebenso verständlich, dass für genauere Klärungsvorgänge der Grundsatzfragen
kein Raum war.
Bei der Bischofskonferenz, die wenige Tage nach dem Salzburger Ereignis in Wien
stattfand, haben wir die Notwendigkeit gesehen, mit allen Kräften eine
Vertiefung des Dialogvorganges anzustreben. Beim so genannten Ad Limina-Besuch in Rom, („Limina“
ist der lateinische Ausdruck für „Gräber“. Gemeint ist der alle 5 Jahre
vorgesehene Besuch der Gräber der Apostel Petrus und Paulus durch die Bischöfe,
die dem Heiligen Vater über die Arbeit in den Diözesen berichten) wurden wir in
diesem Entschluss bekräftigt.
Die Hinweise des
Heiligen Vaters
Am Ende
eines Ad Limina-Besuches pflegt der Papst als Antwort
auf die empfangenen Informationen über die Situation, die Anliegen und Vorhaben
der Diözesen an die Bischöfe eine Ansprache mit Anregungen und Hinweisen für
die pastorale Arbeit zu richten. So geschah es auch diesmal.
Wenn wir um die Erneuerung der Kirche in unserem Land bemüht sind, wird es
wichtig sein, sich diese Hinweise zu vergegenwärtigen. Daher will ich jene
Punkte seiner Rede, die mir besonders bedeutsam erscheinen, kurz zusammenfassen
und wiedergeben.
Ermutigung zum Dialog
Der Papst
hat uns Bischöfe neuerlich zum Dialog ermutigt und an das angeknüpft, was er
bereits bei seinem Besuch in Wien gesagt hat. Damals hatte er betont, es müsse
ein „Heilsdialog“ sein. Er erinnerte an seine Aussage, dass ein solcher
Heilsdialog „für alle Beteiligten immer unter dem Wort Gottes“ stehe. Das setze
ein Minimum an „vorgängiger Kommunikationsbereitschaft und fundamentaler
Gemeinsamkeit“ voraus. Er wiederholte auch in Rom: „Es ist der lebendig
überlieferte Glaube der Gesamtkirche, der für alle Partner die Grundlage des
Dialoges bildet“. Zugleich betonte er diesmal die Notwendigkeit der „Communio“. Eine Gemeinsamkeit in den Gesamtüberzeugungen
ist einerseits eine Voraussetzung für die Fruchtbarkeit des Dialoges.
Andererseits führt der Dialog, wenn die Positionen offen und ehrlich einander
gegenübergestellt werden, zu einem vertieften gegenseitigen Verständnis. Der
Dialog des Heiles müsse daher - so folgerte der
Heilige Vater - „sich in der Communio der Kirche
vollziehen“.
Das wichtigste: die
Gottesfrage
Als das
vielleicht ernsteste Problem in unserem Land sieht der Heilige Vater die
Gottesfrage an. Die Frage nach Gott erscheine zwar nicht so deutlich in den
Schlagzeilen der Öffentlichkeit, bewege aber dennoch die Herzen der Menschen.
Leider werde sie oft mit einem versteckten Unglauben oder mit einer zur Schau
gestellten Gleichgültigkeit beantwortet. „Dahinter steckt der Wunsch,
menschliches Glück und Gemeinschaft auch ohne Gott begründen zu können. Solche
Versuche greifen jedoch zu kurz“, sagte der Papst. Er fügte hinzu: „Wehe der
Kirche, wenn sie sich zu viel um zeitliche Fragen kümmert und zu wenig dazu
kommen sollte, sich mit den Themen zu beschäftigen, die das Ewige betreffen!“
Daher sei die Erneuerung der geistlichen Dimension der Kirche zu fördern. Die
Menschen in die Gemeinschaft mit Gott zu führen, betrachtet der Papst als die
wichtigste Aufgabe der Bischöfe.
Die Kirche - ein
Geheimnis
Johannes
Paul II. hat auch die Frage an uns Bischöfe gerichtet, ob nicht das
Kirchenverständnis bei uns zu flach sei. Er sagte: „Eine Kirche, die sich nur
als rein menschliche Gemeinschaft begreift, wäre nicht imstande, angemessene
Antworten auf die menschliche Sehnsucht nach einer Gemeinschaft zu geben, die
trägt und Sinn zu stiften vermag. Ihre Worte und Taten würden als zu leicht
befunden angesichts der Schwere der Fragen, die auf den Herzen der Menschen
lasten. Denn der Mensch strebt nach etwas, das über ihn selbst hinausgeht, alle
menschlichen Sichtweisen übersteigt und sie in ihrer Begrenztheit als
ungenügend entlarvt. Wie tröstlich und zugleich ermutigend ist es für uns, dass
es die Kirche als Mysterium gibt. Sie weist über uns hinaus und kann so zu
Gottes Botschafterin werden ...“
Zwei große Sorgen
Der Papst
erwähnte in seiner Ansprache zwei große Sorgen bezüglich der Kirche in
Österreich, die sich aus bestimmten statistischen Angaben ableiten lassen: die
rückläufige Zahl der Teilnehmer an der sonntäglichen Eucharistiefeier und der
Mangel an geistlichen Berufungen.
Der Papst brachte seine Anerkennung dafür zum Ausdruck, dass sich die Kirche
für den Schutz des Sonntags im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben
einsetzt, aber er sah sich dazu veranlasst, uns Bischöfe zu ermahnen: „Werdet
nicht müde, die Euch anvertrauten Gläubigen mit Festigkeit an das Sonntagsgebot
zu erinnern.“
Bezüglich der Priester bekundete der Papst Mitgefühl wegen der Schwierigkeiten,
denen viele Seelsorger durch die Arbeitsüberlastung und die mit ihrem Amt
verbundenen Sorgen ausgesetzt sind, zugleich ermutigte er die Laien, „mit ihren
Priestern einen von Wohlwollen und Ehrfurcht getragenen Dialog zu führen und
sie nicht als ‘Auslaufmodell’ einer kirchlichen Struktur zu sehen, die in den
Augen mancher vielleicht auch ohne Weiheamt auskommen
könnte.“ Der Papst äußerte die Befürchtung, dass gerade diese Einstellung, die
sich selbst unter gläubigen Männern und Frauen verbreitet hat, dem Rückgang an
Berufungen Vorschub geleistet habe. Er hält es für wichtig, dass wir mit allen
Kräften darum bemüht sind, „den jungen Menschen die Begegnung mit Jesus
Christus zu erleichtern, und dass wir ihnen dabei Hilfestellung geben sollen,
den Ruf zu entdecken, den Christus an jeden von ihnen im Hinblick auf eine
bestimmte Aufgabe in der Kirche richtet. Der Papst betonte einmal mehr, dass
wir unablässig für Berufungen zu Gott beten und das Gebet durch gläubiges
Handeln unterstützen sollen, da jede Berufung ein Geschenk ist.
Lebensschutz sowie
Bedeutung von Ehe und Familie
Schließlich
sprach der Heilige Vater noch von der Kultur des Lebens und insbesondere von
Ehe und Familie. Er sagte zu uns: „Steht mutig zu Eurem Zeugnis in der
überlieferten Lehre und bleibt darin fest.“ Bezüglich Ehe betonte er einmal
mehr die Unauflöslichkeit, an der wir festhalten müssen, auch wenn die
Schwierigkeiten groß sind.
Der Heilige Vater unterließ es nicht, auf einige Fehlentwicklungen und falsche
Sichtweisen hinzuweisen, die sich in der Kirche eingeschlichen haben: vor allem
die falsche Vorstellung, dass in der Kirche alles, oder fast alles,
demokratisch bestimmt werden könne. Die authentische Auslegung des Wortes
Gottes und die Verkündigung der Lehre der Kirche hätten mitunter, so sagte der
Papst, einem falsch verstandenen Pluralismus Platz gemacht. Wörtlich: „Über die
geoffenbarte Wahrheit kann keine ‘Basis’ befinden. Die Wahrheit ist kein
Produkt einer ‘Kirche von unten’, sondern kommt ‘von oben’, von Gott. Die
Wahrheit ist nicht Geschöpf des Menschen, sondern Geschenk des Himmels.“
Der Papst hat uns Bischöfen zugerufen: „Habt Mut zur Liebe und zur Wahrheit!“
Er fügte hinzu: „Freilich habt Ihr recht, wenn Ihr nicht als Wahrheit gelten
lassen wollt, was ohne Liebe ist. Aber akzeptiert auch nichts als Liebe, was
ohne Wahrheit ist!“ Er erinnerte uns auch an die Worte, die der hl. Paulus an
seinen Schüler Timotheus geschrieben hat: „Leide mit mir als guter Soldat
Christi Jesu ... Bemühe dich darum, dich vor Gott zu bewähren als ein Arbeiter,
der sich nicht zu schämen braucht, als ein Mann, der offen und klar die wahre
Lehre vertritt.... Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will
oder nicht. Weise zurecht, tadle, ermahne in unermüdlicher und geduldiger
Belehrung“ (2 Tim 2, 3, 15; ebenda 4, 2).
Der Heilige Vater hat uns also beim Ad Limina-Besuch
sehr wertvolle und klare Hinweise erteilt. Zugleich hat er betont, dass er
nicht auf alle, sondern nur auf einige Themen eingegangen ist, obwohl es noch
andere gäbe, deren Bedeutung groß ist.
Wie geht es weiter?
Aufgrund
verschiedener Umstände, auch wegen des Zeitdrucks, war es nicht möglich, vor
der großen Dialogveranstaltung in Salzburg die nötige Vorarbeit zu leisten, um
die vom Papst für einen „Dialog des Heiles“ geforderte Voraussetzung zu
schaffen. Umso wichtiger ist es, das Versäumte nachzuholen.
Bei der Versammlung in Salzburg wurden aus den 12 Themenkörben Prioritäten
verabschiedet. Es handelt sich um brennende Probleme, denen wir uns stellen
müssen. Manche der in Salzburg als wichtig beurteilten Anliegen fallen
allerdings in die Kompetenz der Weltkirche - wie z.B. die Zulassung von Frauen
für den Empfang der Diakonenweihe oder die
Priesterweihe von „Viri probati“,
andere stehen teilweise im Kontrast zum Lehramt der Kirche wie z.B. manche
Passagen aus den Themenbereichen „Verantwortung aus Liebe“ und „Anspruch und
Scheitern, Schuld und Vergebung“. Andere stehen nicht oder nicht ganz im
Einklang mit der derzeit gültigen kirchlichen Ordnung wie z.B. einige
Äußerungen über Gemeindeleitung oder über die Mitarbeit der Laien am
priesterlichen Dienst. In allen Aussagen, die in der Delegiertentagung in
Salzburg besprochen wurden, sind wichtige Anliegen enthalten, die eine echte
Herausforderung darstellen.
Eine Herausforderung
für das Lehramt und für uns alle
Die
Ergebnisse der Beratungen in Salzburg lassen unübersehbar erkennen, dass manche
Darlegungen und Klärungen, die das kirchliche Lehramt in den letzten drei
Jahrzehnten gebracht hat, von einer großen Zahl von Gläubigen nicht angenommen
wurden. Das kann daran liegen, dass diese Darlegungen nicht gut verständlich
gewesen sind, nicht in geeigneter Weise vermittelt oder aus anderen Gründen
nicht aufgenommen worden sind. Für das Lehramt ist dies eine Herausforderung,
nach besseren Erläuterungen zu suchen, überzeugende Argumente zu finden oder
die negativen Folgen aufzuzeigen, die sich bei denen zeigen, die die Weisungen
des Evangeliums nicht beachten. Vielleicht muss die Sprache eine andere werden,
vielleicht müssen Wege zur Verwirklichung aufgezeigt oder andere
Voraussetzungen geschaffen werden, die den Zugang zur Botschaft des Evangeliums
erleichtern.
Es ist aber auch eine Herausforderung an uns alle, der
wir uns stellen müssen. Hören wir auf das Wort Gottes?
Richten wir unser Leben am Evangelium aus auch dann, wenn dies
Anstrengung erfordert? Versuchen wir etwa - was Dummheit wäre - das Evangelium
an unser eigenes Leben anzupassen? Wo liegen mögliche Missverständnisse?
Welches sind die Schwierigkeiten, die einer Beachtung der Gebote Gottes, so wie
sie von der Kirche dargelegt werden, entgegenstehen? Was können wir selbst tun,
um diese Hindernisse zu überwinden?
Nicht nur die Verkünder der Botschaft, auch die Hörer sind aufgerufen, die
Gründe geringer Fruchtbarkeit zu erforschen. Jesu Botschaft zielt auf die
Erfahrung des Heils.
Wie Dialog führen?
In manchen
Belangen werden sich ganz gewiss die Bischöfe, unterstützt von Fachkundigen,
Gedanken machen müssen, inwieweit gemeinsam und in Absprache mit den
zuständigen Kongregationen in Rom Klärungsvorgänge nötig sind, wie manche
Probleme von neuem angegangen werden können und Abhilfe für gewisse Notstände
erreicht wird.
In den Diözesen werden wir uns fragen müssen, was wir unternehmen können, um
den Glauben zu erneuern. Falsch wäre es, so zu tun, als wäre nun alles oder
fast alles, was zur Botschaft Christi gehört, fraglich und unsicher. In
Wirklichkeit verfügen wir über eindeutige Grundlagen und Darlegungen des
Glaubens, die für die ganze Kirche gültig sind. So bietet z.B. der Katechismus
der Katholischen Kirche für jeden Katholiken eine gültige und klare
Orientierung.
Bei der Gottesfrage
anfangen
In diesen
Tagen und Wochen - bereits nähert sich das Fest der Geburt des Herrn - sollen
wir mit der ganzen Kirche bitten: „Komm, Herr Jesus“. Wir können diese Bitte in
Gedanken an das große Jubiläum 2000, bei dem wir in besonderer Weise der
Menschwerdung des Gottessohnes gedenken, ausdehnen und an die Situation der Kirche
in unserem Land und an die Lage der Gesellschaft denken. Wir sollten Jesus
durch unser Gebet und durch unsere Bemühungen in unserem eigenen Herzen und in
den Herzen anderer eine Krippe bereiten, in der dieses Kind Aufnahme findet, um
sein Heilswerk zu vollbringen. Es wird für die Fruchtbarkeit des Dialogs von
großer Bedeutung sein, ob wir lebendig Glaubende sind. Wir sind aufgerufen, die
Impulse des Evangeliums möglichst umzusetzen in Erfahrungen des Heils, auch in
diesem Advent. Seien wir zuversichtlich. Der hl. Paulus ruft uns zu: „Der Herr
ist nahe!“
Zu einseitig scheint sich unser Glaube an so häufig plakativen
Negativnachrichten der Medien auszurichten. - Es geschieht auch heute noch
unwahrscheinlich viel an Gutem durch Gläubige. Unser christlicher Glaube
schenkt Hoffnung. Wir müssen diese Hoffnung in uns aufnehmen, dann wird sie zur
lebensentfaltenden Kraft, die aus sich wirbt. - So wird es möglich werden, das
Absinken der Mitfeiernden in den Sonntagsgottesdiensten umzukehren. - So wird
die Feier des Sonntags wieder ihren eigentlichen, aufbauenden Wert
zurückerhalten. - So können wir auch hoffen, dass Gott uns - aus dem konkreten
Vollzug der Eucharistie - wieder geistliche Berufe in größerer Zahl schenkt.
Nicht alle Impulse, die der Dialog in Salzburg nennt, können wir realisieren.
Dies würde unsere Kräfte überfordern. Die kommenden Wochen sollen da Klärung
bringen. Hoffentlich lässt sich das positive Klima des Treffens in Salzburg in
ein konstruktives Gesprächsklima umsetzen, in dem auch schwierige Themen - z.B.
Scheidung, Wiederheirat, Kommunionempfang - sachlich bearbeitet und
prophylaktisch Initiativen gesetzt werden können, die der Problematik
entgegenwirken: z.B. Ehevorbereitung intensiv, Elternschulen, Ehebegleitung,
Familienpastoral in der Pfarre. Eines ist mir jetzt schon ein Anliegen und
zugleich Bitte: Gestalten wir das Leben so, dass Christus darin Licht ist und
Sauerteig. Praktizieren wir dies jeden Tag. Dann wird das Salzburger Ereignis
Hoffnung für Österreich.
So wünsche ich allen einen gesegneten Advent und ein sehr frohes
Weihnachtsfest!
+ Klaus Küng