Liebe Mitbrüder im Priesteramt, liebe Familien,
liebe Brüder und Schwestern!
Auch
in unserer Zeit gleicht die Haltung vieler Menschen jener des reichen jungen
Mannes, der uns im Evangelium beschrieben wird (Mk 10, 17 – 30): sie empfinden
Sehnsucht nach Gott, nach dem Großen, Ewigen; sie spüren die Anziehungskraft
Christi, aber es fällt ihnen schwer, etwas zu verlassen.
Jesus sagt, es sei für jene, die viel besitzen, schwer, in das Reich Gottes zu
gelangen.
In unserer Wohlstandsgesellschaft lässt es sich leicht beobachten, wie wahr
das ist. Wir haben wenige geistliche Berufe, auch wenige kinderreiche
Familien. Woher sollten die Berufungen kommen, wenn die Familien so klein
sind?
Trotzdem haben wir Grund zu Zuversicht und Hoffnung. In der ersten Lesung
(Weisheit 7,11) hieß es: „Ich betete, und es wurde mir Klugheit gegeben; ich
flehte, und der Geist der Weisheit kam zu mir. Ich zog sie Zeptern und Thronen
vor, Reichtum achtete ich für nichts im Vergleich zu ihr. Keinen Edelstein
stellte ich ihr gleich; denn alles Gold erscheint neben ihr wie ein wenig
Sand, und Silber gilt ihr gegenüber wie Lehm.“
wo es zur Begegnung mit Christus kommt,
entstehen wieder größere Familien
Es zeigt sich auch heute: Dort, wo der Glaube an Gott erwacht, der echte
Sinn des Lebens entdeckt wird; wo es zur Begegnung mit Christus kommt,
entstehen wieder größere Familien – vielleicht nicht mit zwölf aber doch mit
vier, fünf Kindern – , in denen die Liebe wach ist; und es geschieht auch,
dass junge Menschen zu einem geistlichen Beruf Ja sagen und durchaus
konsequent sind (nicht überall fehlt es an Berufungen: in Graz Seckau sind
dieses Jahr zB neun im Priesterseminar eingetreten, im Stift Heiligenkreuz
sind derzeit 7 Novizen. Sie hatten noch nie so viele Mönche im Kloster wie
jetzt).
„Lebendig ist das Wort Gottes, kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidige
Schwert, es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist“ (Hebr 4, 12.
2. Lesung)
Viele Menschen gleichen heute der Herde ohne Hirt; sie laufen den gängigen
Trends unserer Zeit nach. Wahrscheinlich befinden sich nicht wenige auf der
breiten Straße, die abwärts führt. Trotzdem schenkt das Wort Gottes jenen, die
es aufnehmen, die Verlangen haben nach der Wahrheit, jene Klarheit des
Geistes, die sie fähig macht, Gut und Böse auseinander zu halten. Auch ihr
Wille, ihre Liebe wird beflügelt, um den Weg zu wählen, der aufwärts führt,
auch wenn er schmal ist, manchmal steil wird und anstrengend ist.
Es ist nur Gebet notwendig, Umgang mit Christus und jene Elastizität des
Herzens, die zur Hingabe befähigt. Es lohnt sich.
Ich kann nicht den Kurzkommentar des hl. Josefmaria Escrivá zur heutigen
Evangelienstelle vom reichen Jüngling vergessen. Er sagte, so als würde er
direkt zum reichen Jüngling sprechen: „Du Dummkopf, du hast die große Chance
deines Lebens versäumt“.
Es lohnt sich, sich auf Christus einzulassen.
Es lohnt sich, sich auf Christus einzulassen. Wer etwas Gott gibt, erlebt,
dass Gott größer ist, uns immer übertrifft. Und so empfangen wir, wenn wir ihm
etwas geben, Freude, Frieden: Man stolpert zwar manchmal über das Kreuz seines
Sohnes, aber eine große Liebe wird in unser Herz gelegt.
Mit dieser Liebe Christi kann Familie gelingen, gelingt sie fast sicher, trotz
mancher Schwierigkeiten, trotz mancher Probleme. Eine Familie, die betet, die
sich an Christus festhält, bleibt einander treu. Jene, die auf seinem Weg, auf
dem Weg Christi gehen, ihm nachfolgen – auch Ehe und Familie sind eine
Aufforderung dazu - werden dabei verwandelt, allmählich reifer. Ihre Liebe
verändert sich: was anfangs Verliebtheit war, Vorschuss der Liebe, wird nach
und nach tiefer in Gott begründet, auch gereinigt und geläutert verbunden mit
dem Vorgang, der nötig ist: alle müssen wir auch ein wenig uns selber sterben,
um Christus zu gewinnen.
Verbunden mit Christus kann man sich auf seine Wege wagen. Es sind Wege der
Hingabe, der großen Liebe, Wege, die fruchtbar sind. Kinder kommen zur Welt;
Eltern und Kinder bewegen sich auf das große Ziel hin, auf Gott, auf das Ewige
Leben hin.
Sie werden auch befähigt, vielen anderen beizustehen, den Verwandten und
Bekannten, Freunden und Nachbarn. Es ist notwendig, dass ihnen Christus
gebracht wird, damit auch sie den Weg zur Liebe finden.
So freue ich mich, wenn in dieser heiligen Messe einige Ehepaare die
Gelegenheit nützen, um ihr Eheversprechen zu erneuern, um einmal mehr, das Ja
zu sprechen, das sie einander in Christus gegeben haben.
Es freut mich auch, wenn manche, die mit ihrer Familie Probleme haben, kommen,
um in ihrer Situation das Versprechen zur Treue zu erneuern.
Es ist für mich – ich wiederhole – eine große Freude und Hoffnung, dass seit
einiger Zeit in der Initiative Hauskirche auch eine Gruppe von Geschiedenen,
eine Gruppe von Personen, die an ihrer Familie leiden, integriert sind. Auch
an sie ergeht der Ruf des Herrn, ihm in ihrer Situation nachzufolgen,
aufzustehen, um mit ihm vereint den weiteren Lebensweg zu bewältigen. Er steht
auch ihnen bei, schenkt ihnen Gnade, hilft ihnen, guten Mutes ihre Aufgaben
wahrzunehmen. Auch sie können, wenn sie selbst die Freude und den Frieden Jesu
erfahren, für viele zu einer großen Hilfe werden. Gerade sie können – so hoffe
ich - zu besonders wirksamen Aposteln der Barmherzigkeit Gottes werden.
Vielleicht werden jetzt manche sagen – ähnlich wie die Jünger damals –, dass
es heutzutage mit Ehe und Familie, mit Treue und Konsequenz in der Nachfolge
Christi sehr schwer sei. Christus gab zur Antwort, und alle sollen wir sie
hören: „Für den Menschen ist es unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott
ist alles möglich.“ (Evangelium)
Wenden wir uns Maria, der Mutter Jesu und unser aller Mutter, zu. Bitten wir
sie um ihre Fürsprache, damit wir Jesus begegnen, seinen Ruf verstehen und den
Mut haben, unser Jawort zu geben wie Maria es nach dem Empfang der Botschaft
des Engels gegeben hat. So werden wir die Freude haben, und Jesus, der Herr,
wird mit uns sein.