Geistlicher Rundbrief Nr.: 3/2003

Wertediskussion

Liebe Mitchristen!

Vieles weist darauf hin, dass eine Zeit angebrochen ist, in der wir Christen wirklich aufwachen müssen: Es geht um das Wohl der Menschen, der Familie, der Gesellschaft, der Kirche, auch um unser aller Wohl. Als wären sie für die derzeitige Situation verfasst, klingen die Worte des hl. Paulus an die Römer:

„Bedenkt die gegenwärtige Zeit: die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf.
Denn jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden ...
Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe“ (Röm 13, 11-12).

Es ist eine aufrüttelnde und doch zugleich mit Hoffnung erfüllende Botschaft.

Alarmierende Zeichen in Gesellschaft und Kirche

Unsere Zeit ist voller Kontraste: Trotz phantastischer Entwicklungen in Technik, Medizin und anderen Wissensgebieten ist die Armut in den Entwicklungsländern größer denn je und die Bedrohungen des Lebens sind – auch bei uns – schlimmer geworden. Noch nie hat es so viele Abtreibungen gegeben wie jetzt, und der Ruf nach Euthanasie, der in einigen Ländern bereits „erfolgreich“ Ernte hält, ertönt lautstark in ganz Europa. Werden wir standhalten?

Auch mitten im Wohlstand sind Lebenskrisen häufig. Sie brauchen hier nicht aufgelistet und näher beschrieben zu werden. Eines der besonders alarmierenden Zeichen ist der Anstieg der vielen Lebensgemeinschaften ohne Trauschein, die Ausbreitung einer überzogenen Erotisierung und pornographischer Präsentationen, die fast allgemein zu beobachtende Nivellierung ethischen Empfindens. In vielen Ländern beschäftigt viele Menschen ein überwiegend egozentrisches Verlangen nach „Selbstverwirklichung“. Das führt unter anderem offenbar zur Scheu vor Bindung. Der Beruf wird von Männern und Frauen, von Jung und Alt, als wichtiger Bestandteil dieser Selbstverwirklichung betrachtet. Er bildet die Grundlage von Erfolg und Wohlstand; er ermöglicht Wellness und Fun. Selbst das „Ja“ zu Kindern ist häufig dem Grundverlangen nach dieser Form der Selbstverwirklichung untergeordnet. Die Folgen dieser Einstellungen zeigen sich zunehmend deutlicher in Gesellschaft und Kirche.

Die über viele Jahre hinweg von praktisch allen politischen Parteien vermarkteten Werte – Wohlstand, Sicherheit und Gesundheit – beginnen zu wanken: Die seit langem zu geringe Kinderzahl führt unausweichlich zu nicht mehr lösbaren Problemen der Alterspyramide. Die „Auswege“ aus dieser misslichen Lage der Gesellschaft ziehen unangenehme, zum Teil sogar bedrohliche Konsequenzen nach sich: Abstriche im Pensions-, Versicherungs- und Gesundheitswesen bzw. im Wohlstand, Erhöhung des Ausländeranteils (mit schwer abschätzbaren sozialen und politischen Langzeitfolgen); auch Euthanasie wird als Lösungsansatz propagiert. Wie sicher dürfen sich in Zukunft alte, kranke und behinderte Menschen fühlen? Schon jetzt haben – wie man hört – Kinder, deren Behinderung während der Schwangerschaft entdeckt oder vermutet wird, geringe Überlebenschancen (angeblich nur etwa 10 %!), und das, obwohl in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Ländern hervorragende Einrichtungen für Behinderte entstanden sind und ein gewisses Umdenken in dem Sinn erfolgt ist, dass Behinderte viel besser in der Gesellschaft integriert wurden.

Vielleicht erfolgt bald eine kräftige Trendumkehr bezüglich Geburtenfreudigkeit? – Das wäre wünschenswert und die einzige nachhaltig wirksame und zugleich wahrhaft humane Lösung der beschriebenen Probleme. Voraussetzung dafür wäre allerdings ein entschlossenes sozialpolitisches Maßnahmenpaket und vor allem ein baldiges Umdenken vieler. Eine solche Trendumkehr würde sich freilich frühestens in 25 bis 30 Jahren auswirken ... . Auf dieses Faktum wurde seitens der Kirche, auch von manchen Bevölkerungswissenschaftern und Soziologen schon vor Jahren hingewiesen. Niemand hat darauf reagiert.

Auch die Kirche spürt die Ausbreitung der vorwiegend auf Erfolg, Ansehen, Wellness und Fun orientierten Lebenseinstellungen. Die Entwicklungen verlaufen bezüglich christlicher Familien (es genügt ein Blick auf die Zahl der kirchlichen Trauungen), geistlicher Berufe und regelmäßiger Kirchenbesuche auch zahlenmäßig weitgehend parallel. Eine gewisse Ausnahme bilden derzeit noch Taufen, Erstkommunionen und Firmungen, da die meisten Paare - auch solche, die sich mit der Kirche nicht besonders verbunden fühlen, - für ihre Kinder doch eine gewisse Einführung in das kirchliche Leben wünschen. Dies ist für die Kinder eine Chance, da sie so, trotz der Entfremdung ihrer Eltern von der Kirche, mit Religion in Berührung kommen. Es stellt dies aber gleichzeitig ein großes Problem dar, da den Kindern das Vorbild ihrer Eltern fehlt und dadurch ihre dauerhafte Verwurzelung im Glauben nur in wenigen Fällen gelingt.

Inzwischen zeigt sich auch, dass eine Verkündigung und eine Sakramentenpastoral, die sich den Verhältnissen einer verflachenden Gesellschaft zu sehr bzw. in falscher Weise „anpassen“, das heißt, von manchen Forderungen des Evangeliums absehen, weil sie angeblich nicht mehr verstanden werden, und über gewisse, für den fruchtbaren Empfang der Sakramente erforderliche Voraussetzungen hinweggehen - ein Beispiel ist der Ersatz der persönlichen, individuellen Beichte durch eine gemeinsame Bußfeier ohne Beichte -, keine guten Früchte bringen, im Gegenteil, eher zur Verflachung beitragen und diese beschleunigen. Es finden sich daher auch im Zusammenhang mit der kirchlichen, seelsorglichen Arbeit alarmierende Zeichen, die uns aus dem Schlaf rütteln müssen.

einfach nur mit der Mehrheit mitzuschwimmen ist zu wenig,

Andererseits hätte – hat! – die Kirche die geeigneten Heilmittel für die Folgen falscher Lebensweisen. Ganz dem hl. Paulus entsprechend, der ausruft: „Weh’ mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde“ (1 Kor 9, 16) „muss“ die Kirche auch den Menschen, die in einer weitgehend säkularisierten Welt, in den Verhältnissen unserer Zeit leben, den Weg zeigen, der sie zu einer gesunden Persönlichkeitsentfaltung, zu einem Leben in Freude und mit Frieden, zu dauerhaften Beziehungen, zur Bewältigung von Krisen, auch zu Wirksamkeit in Beruf, in Gesellschaft und Kirche befähigt. Freilich wird gerade in unserer Zeit deutlich: einfach nur mit der Mehrheit mitzuschwimmen ist zu wenig, wenn man Christ sein will und die Früchte der Erlösung, die Christus durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung bewirkt hat, empfangen möchte. Nur die Wahrheit macht frei (vgl. Joh 8, 32) und nur in Übereinstimmung mit ihr kommt die Barmherzigkeit Gottes, die unermesslich ist und keine Grenzen kennt, zum Tragen.

„Was sollen wir tun, Brüder?“ (Apg 2, 37)

Nach der entflammenden Pfingstrede des hl. Petrus fragen seine Zuhörer, die seine Worte mitten ins Herz getroffen haben: „Was sollen wir tun, Brüder?“ Sie erhalten die Antwort: „Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Apg 2, 37-38).

Jeder Einzelne ist angefragt

Durch die rasche Ausbreitung aller möglichen Geisteshaltungen, insbesondere jener, die das Leben in hohem Maße auf Konsum ausrichten, die Gebote Gottes (und der Kirche) relativieren, oft ins Esoterische oder/und in eine Gefühlsreligion ausweichen, wird in unserer Gesellschaft fast überall ein Trend vorherrschend, der ein konsequentes Verhalten im Sinne eines Christseins ohne Abstriche schwer macht. Heute wird man bald einmal als „übertrieben“, „zu eng“, „ewig gestrig“ abgestempelt, manchmal auch verspottet und verlacht. Wer aber dem Druck der Umgebung nicht widersteht, wenn dies geboten ist, wer sich nicht – vielfach im Gegensatz zur Auffassung der anderen - zu klaren Haltungen durchringt, wird von den gängigen Trends, die oft alles andere als christlich sind, unweigerlich erfasst. So aber wird man orientierungslos, unsicher: man läuft Gefahr, vom rechten Weg abzukommen, nicht selten fast ohne es zu merken.

Heute ist es in besonderer Weise notwendig, sich in allen wesentlichen Fragen ein eigenes Urteil zu bilden und sich in manchen Belangen bewusst für eine Verhaltensweise zu entscheiden, die zur Umgebung in Kontrast steht. So muss sich z.B. ein Christ Zeit für Gebet nehmen, für den Gottesdienst (auf jeden Fall am Sonntag), die Gebote Gottes so halten, wie sie die Kirche lehrt, eine christliche Familie auf der Grundlage einer sakramental geschlossenen Ehe mit Offenheit für mehrere Kinder anstreben - um nur einige markante Punkte zu erwähnen. Das setzt auch voraus, geistliche Nahrung und Unterstützung im Glauben an Christus und seine Kirche dort zu suchen, wo man sie finden kann, wählerisch in Fortbildungsveranstaltungen zu sein, auch in Lektüren, die man für sich oder einen anvertrauten Menschen auswählt. Ein Abschnitt aus der Bibel, ein gutes Buch können Großartiges bewirken. Es bedeutet auch, immer dann wenn es nötig bzw. angebracht ist, für Christus, für christliche Werte und eine entsprechende Lebensweise persönlich und gemeinsam im privaten Kreis oder auch öffentlich einzutreten.

Ein Christ braucht heute, um bestehen zu können, in besonderer Weise Persönlichkeit und Charakter. Er kann aber auch, wenn er seine Verantwortung als Christ mit Mut wahrnimmt, viele andere bewegen.

Verantwortung in der und für die Kirche

Auf Grund der erschwerten Verhältnisse in der Schule, auch in den Pfarren, die alle mit dem Pluralismus der Weltanschauungen und der unterschiedlichen Glaubens- und Unglaubenspraxis konfrontiert sind und mit vielseitigen Problemen zu kämpfen haben, ist heute in verstärktem Maße die Initiative der Familie gefordert. Die Eltern sind die Erstverantwortlichen für die Erziehung ihrer Kinder. Das bedeutet gerade in den heutigen Umständen mit den vielfältigen und massiven Einflüssen von vielen Seiten eine schwierig zu erfüllende Pflicht. Die Eltern müssen auf ihre Verantwortung angesprochen werden, brauchen aber auch Unterstützung in jeder Hinsicht. Dies ist eine der Hauptaufgaben jeder Pfarre. In der Zukunft wird sich die Seelsorge wahrscheinlich speziell darauf konzentrieren müssen: christlichen Familien eine Heimat zu geben, sie zu begleiten und zu unterstützen. Vielleicht müssen auch neue Einrichtungen dafür geschaffen werden, in denen Väter und Mütter für ihre Aufgabe in der Familie, in der Erziehung sowie zur Befähigung einer unseren Verhältnissen entsprechenden Gestaltung des Familienlebens angeleitet werden. Auch die Schaffung geeigneter Behelfe (Bücher, Videos) ist erforderlich. Ebenso kann die Vernetzung mit anderen christlichen Familien wie sie durch Pfarren, Familienrunden, aber auch neuere Bewegungen erreicht wird, eine große Stütze sein.

Die Pfarren, die geistlichen Bewegungen, die Zentren der geistigen Erneuerung, ebenso die Klöster müssen sich auf die Gegebenheiten unserer Zeit einstellen, Orte des Gebetes und der Besinnung sein, eine Katechese entwickeln, die tatsächlich den Glauben der Kirche vermittelt, aber immer auch die Lebensbezüge aufweist. Dem Aspekt der persönlichen Umkehr und der Versöhnung mit Gott, der Kirche und auch mit sich selbst kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Dadurch, dass heute die persönlichen Umstände, Lebens- und Arbeitsverhältnisse sehr unterschiedlich sein können, ist persönliche geistliche Begleitung von großer Bedeutung.

Ich wiederhole: Wir stehen vor großen Herausforderungen. Es soll dabei nicht verschwiegen werden, dass viele Bemühungen im Gange sind. Durch das Jahr der Bibel beispielsweise sind viele wertvolle Initiativen entstanden; die Exerzitien im Alltag bedeuten für viele Menschen einen wahrhaften Segen. Trotzdem halte ich es für unerlässlich, dass in Hinblick auf die Entwicklungen in Gesellschaft und Kirche, vor allem aber aus „Mitleid mit den Menschen“ (vgl. Mt 9, 36) unsere Sorge um sie in Christus belebt und erneuert werden muss. Sie laufen Gefahr, sich selbst zu verlieren.

Das Erste wird sein, dass wir in Bezug auf jene, die am kirchlichen Leben teilnehmen oder ins kirchliche Leben eingeführt werden, nichts unversucht lassen, um sie zur persönlichen Beziehung mit Jesus zu führen: damit sie ihm begegnen, ihn erfahren und lieben lernen. Aber auch missionarische Vorgänge – bezogen auf am Rande- oder Fernstehende – sind meines Erachtens unerlässlich und dringend: Wir müssen in die Häuser gehen, die Orte des beruflichen und gesellschaftlichen Lebens aufsuchen, auf Straßen und Plätzen die Menschen anreden, sie einladen, ihnen den Glauben vorleben, ihnen Hilfe anbieten, wenn dies nötig ist.

Verantwortung für die Gesellschaft

Die große Versuchung angesichts der in vielen Ländern, Städten und Dörfern gleichzeitig auftretenden Entwicklungen ist die Beschränkung auf ein gelegentliches Bedauern, dass es in der heutigen Zeit offenbar „so“ ist, verbunden mit dem Eindruck, dass da eigentlich niemand etwas dagegen unternehmen kann, wir selbst sicher am allerwenigsten.

In Wirklichkeit könnten wir sogar mit Sicherheit sehr viel erreichen, wenn wir und alle anderen, denen die wesentlichen Werte des Menschen ebenfalls wichtige Anliegen sind, nicht passiv bleiben und uns in Eintracht bemühen, Zeugen für Christi Botschaft zu sein.

Wichtige Werte stehen auf dem Spiel

Ganz vorne stehen muss meines Erachtens gerade in Hinblick auf den „demografischen Winter“ Europas die Förderung der Familie – vor allem der kinderreichen – auf der Grundlage der Ehe zwischen Mann und Frau. Dass wir homosexuell geneigten Personen – wie jedem Menschen – mit Achtung und Liebe begegnen sollen, dass der Staat für diese Menschen bestimmte Fragen gesetzlich regelt, um berechtigten Wünschen zu entsprechen (z.B. Besuchsrecht im Falle der Krankheit oder Weitergabe des Vermögens nach dem Tod) sind durchaus positiv zu bewertende Anliegen. Aber die Beziehung homosexuell geneigter Menschen kann nicht der Ehe gleichgesetzt werden, weil es sich nicht um das Gleiche handelt. Eine Gleichsetzung wäre in der Tat ungerecht. Auch das Recht auf Adoption bei homosexuellen Menschen oder künstliche Befruchtung bei lesbischen Personen kann unter anderem deshalb nicht gestattet werden, weil dadurch das Grundrecht des Kindes auf Vater und Mutter verletzt wird. Es ist dies ein weiteres Motiv, warum die Förderung der kinderreichen Familie klare Priorität verdient, denn für die gesunde Entwicklung der Persönlichkeit ist das Zusammenwirken von Vater und Mutter und Geschwister von großer Bedeutung. Letztlich hängt auch die gesunde Entwicklung der Gesellschaft in einem hohen Maße davon ab, ob die kinderreiche Familie auf der Grundlage der Ehe gefördert wird oder nicht.

Andere wichtige Werte stehen mit der Achtung des Lebens von seiner Empfängnis an in Zusammenhang. Die hohe Zahl von Abtreibungen hinterlässt tiefe Wunden in der Gesellschaft. Momentan, so scheint es, können wir an der gesetzlichen Lage nicht viel ändern; wir können hingegen betroffenen Menschen helfen. Ein riesiges Problem bleibt es in jedem Fall. Eines Tages jedoch können sich die Stimmung, auch die Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten ändern, wenn wir mit Beharrlichkeit auf das Geheimnis des menschlichen Lebens hinweisen, ebenso auf die tiefen Wunden, die bei jenen zurückbleiben, die Abtreibungen vornehmen lassen (Post-Abortion-Syndrom). Besondere Wachsamkeit ist bezüglich der Entwicklungen im Zusammenhang mit pränataler Diagnostik und künstlicher Befruchtung erforderlich. Es muss alles versucht werden, um zu vermeiden, dass der Druck auf Frauen, die nicht abtreiben lassen wollen, oder der Druck auf Ärzte, die dazu nicht bereit sind, immer noch größer wird. Andere wichtige Themen sind die Verwendung von EU-Geldern (es handelt sich um riesige Summen) für problematische Forschungsprojekte (z.B. Verwendung von Embryonen für die Forschung) oder für Antikonzeptionsprogramme in Entwicklungsländern (einschließlich Förderung von Abtreibungen und Sterilisierungen). Und wichtig bleibt weiterhin die Euthanasiedebatte, in der in Österreich bis jetzt erfolgreich eine klare Front gegen Euthanasie und für Hospizbewegung, sowie Palliativmedizin erreicht wurde. Die Diskussion kann – wie die jüngsten Vorgänge im Europaparlament in Strassburg zeigen, jederzeit plötzlich in Richtung Befürwortung von Euthanasie kippen, weil unter anderem der wirtschaftliche Faktor in all diesen Belangen Einfluss hat.

Noch ein Thema möchte ich unbedingt erwähnen: Wir klagen mit Recht, wenn in den letzten Jahren immer wieder Fälle sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigungen vorkommen. Vielfach werden die Täter gefasst und vor Gericht gestellt. Das hat seine Berechtigung. Trotzdem stört mich, dass gleichzeitig die Erotisierung auf allen Straßen, in allen Schulen, in praktisch allen Zeitungen, auf Plakatwänden, im Fernsehen, im Internet ungebremst fortschreitet. Und dagegen wagt fast niemand etwas zu sagen. Warum wundert es uns, dass so viele Missbrauchsfälle und Verfehlungen aller Art zu beklagen sind? Dekadente Entwicklungen hat es im Laufe der Geschichte immer wieder gegeben. Wir Christen müssen uns fragen: Wollen wir weiterhin passiv zuschauen? Oder klagen, ohne die Zusammenhänge wahrhaben zu wollen? Braucht unser Land tatsächlich ein Bordell? Worin liegt da zukunftsträchtiger Fortschritt?

Konkret: Was können wir tun?

Zunächst können / müssen wir jene Politiker stützen, die für Werte eintreten; vor allem aber ist Überzeugungsarbeit notwendig. Wir müssen Jung und Alt die Augen öffnen, müssen die Entwicklungen bewusst machen, auch die Folgeerscheinungen. Jeder Christ sollte im eigenen Umfeld wirksam sein, indem er für Werte in geeigneter Weise, mutig, selbstbewusst und mit Argumenten eintritt. Manchmal sind dabei entschlossene Haltungen erforderlich. Es gibt Veranstaltungen, an denen ein Christ nicht teilnimmt, sowie Publikationen, Filme, von denen er Abstand nimmt. In manchen Belangen müssen gut überlegte Strategien entwickelt werden, um eine Verbesserung zu erreichen; Initiativen sind notwendig, die ein Umdenken herbeiführen.

In diesem Rundbrief habe ich manchen meiner Sorgen Ausdruck verliehen. Es sind Sorgen, die viele bewegen. Ich bitte Sie um Ihr Gebet, um Ihr Mitdenken, auch um Ihr Mittun. Verbunden mit Christus und verbunden untereinander sind wir stark, auch wenn wir schwach sind.

So grüßt Sie herzlich

+ Klaus Küng