*EUCHARISTIE UND WORT-GOTTES-FEIER
Liebe Gläubige!
In
diesen Wochen vor Ostern blicken wir wieder auf jene Tage, deren Ereignisse
zur Mitte unseres Glaubens und zum Inhalt der Feier der heiligen Messe
geworden sind: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung
preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Vom auferstandenen Christus
bewegt haben sich die Christen von Anfang an am ersten Tag der Woche, dem
Sonntag, zum „Brechen des Brotes“ versammelt und wurden durch seinen
Heiligen Geist zum Volk Gottes, der Kirche.
Eine große Sorge
Seit zwei Jahrtausenden ist die Versammlung der Jünger Jesu am Sonntag mit
der Verkündigung des Evangeliums und der Feier der Eucharistie ein zentrales
Element der Gemeinschaft der Kirche.
In unserer aktuellen Situation, in
der die Kirche noch stark geprägt ist durch die von Kaiser Joseph II. am
Ende des 18. Jahrhunderts geschaffene Pfarrstruktur, ist es nicht mehr
möglich, dass in allen Pfarren an jedem Sonntag Eucharistie gefeiert werden
kann.
In diesem Zusammenhang mache ich mir in zweifacher Hinsicht Sorgen:
Die eine bezieht sich auf die Priester, denen wir nicht abverlangen können,
an einem Sonntag regelmäßig mehr als zwei oder drei heilige Messen zu
feiern. Das würde zu einer körperlichen und geistlichen Überforderung führen
und sich auf die Feier der ganzen Gemeinde negativ auswirken.
Die andere
Sorge gilt allen Gläubigen: Dass sie nicht deshalb, weil es in ihrer Pfarre
nur hin und wieder eine Sonntagsmesse gibt, über längere Zeit die Beziehung
zur Eucharistie verlieren, ja sogar Gefahr laufen, überhaupt den Sonntag
religiös zu vernachlässigen.
Deshalb haben wir schon vor einigen Jahren
damit begonnen, nach Möglichkeiten Ausschau zu halten, den Sonntag in
religiöser Hinsicht hoch zu halten, wenn keine hl. Messe gefeiert werden
kann.
Ein guter Weg ist die Wort-Gottes-Feier. Sie ist eine eigenständige
Form des Gottesdienstes und kein Ersatz für die Eucharistie, aber eine
wertvolle Hilfe, um die tiefere Bedeutung des Sonntags bewusst zu machen und
den Wunsch nach der Begegnung mit dem Auferstandenen und nach einem Leben in
Verbundenheit mit ihm zu wecken. Eine Reihe engagierter Frauen und Männer
haben bereits eine Ausbildung dafür gemacht und sich zur Vorbereitung und
Leitung bereit erklärt. Ihnen sei recht herzlich gedankt.
So ist es mir
ein ganz besonderes Anliegen, Ihnen einmal mehr die tiefe Bedeutung der
Eucharistie für sich selbst und für die kirchliche Gemeinschaft darzulegen,
aber zugleich auch den Sinn der Wort-Gottes-Feier zu erläutern.
Die Bedeutung der Eucharistiefeier
Wie die Jünger von damals versammeln auch wir uns heute und feiern
Eucharistie, um „das Brechen des Brotes“ mitzuerleben, an dem die Jünger den
Herrn erkannten (vgl. Lk 24,39-31). Dabei tauchen wir ein in den innersten
Bereich unseres Glaubens und damit unserer Beziehung zu Gott, wie sie unsdurch die Sakramente zuteil wird. Das Sakrament der Eucharistie steht in der
Mitte des Lebens der Kirche, der Gemeinschaft Gottes mit uns Menschen, die
neu geschaffen wurde durch die Lebenshingabe Jesu am Kreuz und durch seine
Auferstehung.
Wenn wir in der heiligen Messe von der "Darbringung des
Opfers Jesu" reden, dann bringen wir damit zum Ausdruck, dass Jesus zu einem
konkreten Zeitpunkt im Rahmen der Menschheitsgeschichte sein Leben
hingegeben hat: Er hat es Gott hingegeben, indem er sich ganz seinem Willen
anvertraut und so seine Liebe zu ihm ausgedrückt hat. Er hat sein Leben
zugleich ganz seinen Jüngern hingegeben, indem er alles für sie getan hat,
damit sie eine gute Beziehung zu Gott finden, seinen Willen erkennen und dem
entsprechend den Mitmenschen gegenüber in Liebe leben. Dafür hat Jesus
gelebt, gewirkt und gelitten bis zurletzten Konsequenz, sogar bis zum Tod.
Er selbst hat gesagt: "Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein
Leben hingibt für seine Freunde" (Joh 15,13). Und am ersten Tag der Woche
trat er in ihre Mitte und sprach: "Der Friede sei mit euch." Der Gekreuzigte
wurde gegenwärtig als der Auferstandene. Sein unbedingter Wille war und ist
es, alle Menschen zu Gott zu führen (vgl. I Tim 2,4). Sein Leben hinzugeben,
hat daher allen Menschen gegolten. Heute gehören wir zu seinen Jünger/innen;
heute gehören wir zu denen, für die er sein Leben hingibt.
Daher denken
wir bei der Eucharistiefeier nicht nur an das zurück, was damals durch und
mit Christus geschehen ist, sondern: Das damals Geschehene wird heute mitten
unter uns gegenwärtig. Mit seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung
hat Jesus sein Wesen geoffenbart: Für uns da zu sein, um uns zu zeigen, wie
sehr wir von Gott geliebt sind und wie weit er geht, um uns zu retten. Durch
seine Hingabe an Gott erlöst er uns: Er eröffnet uns den Weg zu Gott und zum
ewigen Leben.
Durch die Eucharistie schenkt uns Christus Gemeinschaft
mit ihm und nimmt uns dadurch hinein in die Gemeinschaft mit Gott. So wird
unser Leben zu einem Weg der Vereinigung mit Gott. Durch die Gemeinschaft
mit Christus lernen wir, so zu leben und so zu lieben, wie er gelebt und
geliebt hat, und dürfen hoffen, dass mit seiner Hilfe auch unser Tod besiegt
wird.
Auf diese Weise wird die Teilnahme an der Eucharistie sowohl für
den einzelnen Christen als auch für die ganze Kirche zur Quelle und zum
Höhepunkt des christlichen Lebens ("Lumen Gentium", Nr. 11): Zur Quelle der
Liebe Gottes, aus der wir die Kraft schöpfen, unsere Nächsten zu lieben. Zum
Höhepunkt der Begegnung mit Gott, indem wir an seinem Tisch bruchstückhaft
erleben dürfen, was Gott denen bereitet, die ihn lieben (vgl. 1Kor 2,9).
Geheimnis des Glaubens
Die Feier der Eucharistie macht uns also bewusst: Das Leben hingeben und
dadurch zum Leben auferstehen, das tut Christus auch heute mitten unter uns
und für uns. Seine Gegenwart sehen wir mit den Augen des Glaubens, wir
erfahren sie im Heiligen Geist, den wir in der Taufe und in der Firmung
empfangen haben. Für uns tut sich ein Weg auf. Wir können uns mit ihm
vereinen.
Damit verknüpft ist noch ein anderer, wichtiger Aspekt.
Der besondere Dienst des Priesters
Beim Vollzug der Eucharistie erfüllt der Priester einen besonderen
Dienst.Zunächst möchte ich aber auf etwas anderes aufmerksam machen:
Nämlich,dass es in keiner Weise ein Privileg des Priester ist, Christus
zu vergegenwärtigen. Jeder getaufte Christ – selbstverständlich auch jede
getaufteChristin –, Frauen und Männer, Jung und Alt können und sollen
Christusvergegenwärtigen (in der Familie, am Arbeitsplatz, auf der Straße,
in Gesellschaft) und das geschieht auch, sofern diese getauften Christen
Jesus tatsächlich im Herzen tragen, das heißt, verbunden mit ihm leben.
Letzteres ist ja auch die Voraussetzung für jede fruchtbare Ausübung der
Teilnahme am Priester-, Propheten- und Königsamt Christi, zu dem alle
Getauften berufen sind. Aber es braucht den Priester. Er ist bei der Feier
der Eucharistie nicht bloß eine Art Vorsitzender, auch wenn die Bezeichnung
„Vorsteher“ des Gottesdienstes sehr üblich und korrekt ist. Durch den Empfang
der Weihe ist der Priester befähigt, bei bestimmten Handlungen „in persona
Christi“, das heißt, an seineStelle tretend tätig zu werden. So kann er –
wenn er tatsächlich die Absicht hat,das zu tun, was die Kirche bei der
Eucharistie tun will – die Worte sprechen: „Das ist mein Leib …“ oder „Das
ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut …“ und es vollzieht
sich, was damals beim letzten Abendmahl sich vollzogen hat. Wenn der Priester
das Brot bricht und es uns reicht und wenn er den Kelch nimmt und ihn uns
reicht, ist es Christus selbst, der das mitten unter uns tut. Christus macht
durch die Worte des Priesters, die erfüllt sind vom Heiligen Geist, Brot und
Wein zu seinem Leib und Blut. Dieser gleiche Christus wirkt dann – als Frucht
der heiligen Kommunion, des Eins-werdens mit ihm –im Leben der Gläubigen.
Durch all das wird die Hingabe seines Lebens, sein Opfer, heute mitten unter
uns gegenwärtig. Der Aufgabe des Priesters kommt dabei eine ganz besondere
Bedeutung zu. Er steht ganz im Dienste des Hohenpriesters Jesus Christus und
im Dienste seines Leibes, der Kirche und aller Gläubigen.
Unsere Anteilnahme am Opfer Christi
Dass es für die Kirche von ihrem Wesen her unentbehrlich ist, am ersten Tag
der Woche, am Sonntag, Eucharistie zu feiern, hängt mit der
Auferstehung zusammen und der tiefsten Glaubenserfahrung der kirchlichen
Gemeinschaft von ihren Anfängen an bis auf den heutigen Tag: Dieser Jesus,
der sein Leben hingegeben hat, lebt und ist seinen Jüngern erschienen. Das
geschieht heute in der Feier der Eucharistie: Indem er uns Brot und Wein
reicht, gibt er sein Lebenfür uns hin – auch für uns bis in den Tod. Und er
erscheint uns als Auferstandener und feiert Kommunion mit uns. Dadurch
schenkt er uns Anteil an seinem Leben und verbindet uns untereinander. In
dieser Gemeinschaft mit ihm und untereinander ruft er uns zur Nachfolge, er
stärkt uns und beruft uns, Anteil zu nehmen an seinem Opfer: Damit auch wir
unser Leben Gott hingeben und es seinem Willen anvertrauen! Damit auch wir es
unseren Mitmenschen hingeben, sie lieben, soweit wir es trotz all unseres
Unvermögens können! Dann werden wir durch ihn und mit ihm und in ihm die
Erfahrung machen, dass dieHingabe des Lebens jetzt in dieser Welt zu einem
erfüllten Leben führt (vgl. Joh10,10) und einst durch den Tod in die
Auferstehung münden wird, zum Leben in der Herrlichkeit des allmächtigen
Gottes. Für dieses Leben sagen wir Dank.
Die Wort-Gottes-Feier
In der Wort-Gottes-Feier verwirklichen wir ein wesentliches Element
des Sonntags. Am dritten Tag nach der Kreuzigung Jesu, dem ersten Tag der
neuen Woche, dem Sonntag, begegnete der Auferstandene den beiden
enttäuschten Jüngern auf dem Weg nach Emmaus. Er legte ihnen die Schrift aus,
so dass ihnen das Herz brannte und sie ihn am Brechen des Brotes erkannten
(vgl. Lk24,13-35). Am Abend des ersten Tages der Woche trat er in die Mitte
der Jünger und sprach: "Der Friede sei mit euch" (vgl. Joh 20,19). Und acht
Tage darauf, das ist wieder der erste Tag der Woche, kam er durch
verschlossene Türen in die Mitte seiner Jünger und sagte zu Thomas: „Streck
deinen Finger aus - hier sindmeine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie
in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ (vgl. Joh
20,24-29).
Auch in der Wort-Gottes-Feier dürfen wir davon ausgehen, dass
Christus, der Auferstandene, in unsere Mitte tritt, zwar nicht sakramental,
aber durch die Verkündigung seines Wortes und durch die Versammlung der
Gläubigen imGebet. Er selbst hat ja gesagt: „Wenn zwei oder drei in meinem
Namen versammelt sind, dann bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). Und auch
zu uns,die wir heute seine Jünger/innen sind, sagt er: "Der Friede sei mit
euch". Es wird auch uns das Herz brennen, wenn wir begreifen, dass er uns die
Schrift auslegt,das heißt, dass er uns durch seinen Heiligen Geist das
Verstehen schenkt. SeineWorte mögen uns immer tiefer zum Glauben führen:
„Sei nicht ungläubig,sondern gläubig!“
Hinweise zum Verhältnis von Eucharistie und Wort-Gottes-Feier
Wenn in einer Pfarre keine heilige Messe gefeiert werden kann und wenn es
aus unterschiedlichen Gründen nur schwer möglich ist, in einer anderen
Pfarre aneiner heiligen Messe teilzunehmen, dann wird die Wort-Gottes-Feier
zu einem wichtigen Element der Sonntagsheiligung und zu einem wertvollen
Beitrag zum kirchlichen Leben.
Die Suche nach guten Lösungen
Durch die Teilnahme an der Eucharistiefeier und die mit ihr
verbundeneTeilnahme am Leben Jesu mögen Sie, liebe Gläubige, immer
tiefer hineinwachsen in das Leben, das Gott uns geben will. Daher ermutige
ich alle Verantwortlichen in den Pfarren, im Wissen um diese tiefe Bedeutung
der Eucharistie, sich auf eine Gottesdienstordnung zu einigen, die
unter Berücksichtigung der begrenzten Zeit und Kräfte der Priester möglichst
vielen Gläubigen die Teilnahme an einer Sonntagsmesse erlaubt. Sollte unter
diesen Umständen keine sonntägliche Eucharistiefeier stattfinden können bzw.
die Teilnahme an ihr sehr schwierig sein, erhält die Wort-Gottes-Feier
ihre besondere Bedeutung. Ich empfehle Ihnen, daran teilzunehmen und so
dem Sonntag seine spezifische Note zu geben. Wenn es in diesem Zusammenhang
zu einer Frage wird – Teilnahme an der Eucharistie oder an der
Wort-Gottes-Feier –sollte alles vermieden werden, was unter den Gläubigen zu
Spannungen führt,oder zu einer Art Druckausübung, an der Eucharistie- oder
an der Wort-Gottes-Feier teilzunehmen. Auch wenn immer die Eucharistiefeier
das Zentrum des christlichen Sonntags bleiben wird, muss alles vermieden
werden, was eine Gemeinde spaltet. Vor allem sollen wir, wie Papst Franziskus
oft erinnert, nicht urteilen.
Daher ist es sinnvoll, dass die
unterschiedlichen Feiern nicht zur selben Zeit stattfinden (vgl.
Rahmenordnung für Sonntagsgottesdienste ohne Priester, beschlossen von der
Österreichischen Bischofskonferenz im März 2010). Im Rahmen einer
sonntäglichen Wort-Gottes-Feier soll grundsätzlich keine Kommunionspendung
erfolgen. Denn die Kommunionspendung hängt unmittelbar mit den Worten über
das Brot "Nehmt und esst …" und demBrechen des Brotes zusammen und ist daher
ein wesentliches Element der Eucharistiefeier. Nur in außergewöhnlichen
Situationen wie Krankheit ist es sinnvoll und angebracht, einzelnen die
Kommunion zu bringen. Die Wort-Gottes-Feier muss deshalb nicht als
„minderwertig“ betrachtet werden, vielmehr soll umgekehrt ihre eigenständige
Bedeutung besser hervortreten: Christus, der Auferstandene, will uns im Gebet
und durch die Betrachtung des Gotteswortes begegnen. Ich weiß, dass dies
manchen von Ihnen eine Umstellung abverlangen wird. Ich bitte Sie aber
dennoch, im Hinblick auf längerfristige Entwicklungen,diesen Hinweis zu
beachten. Außerdem lege ich Ihnen ans Herz, hin und wieder zu prüfen, ob
nicht doch durch kleine Änderungen bei der Zeitplanung für die Wochenenden
eine regelmäßige Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistiefeier ermöglicht
werden kann, auch wenn das den Weg in eine andere Pfarre bedeutet. Natürlich
kann das dazu führen, dass die Gemeinschaft vor Ort darunter leidet.Aber
bedenken Sie, bitte, dass die Gemeinschaft vor Ort auf viele Weisen gepflegt
werden kann, dass aber die große Gemeinschaft der Familie Gottes
die Grundlage für die Einheit untereinander darstellt.
So wünsche ich
Ihnen, dass der erste Tag der Woche, der Sonntag, für Sie immer mehr zu einem
heiligen Tag wird, zum Tag der Begegnung mit dem Auferstandenen.
Möge der
Sonntag bewirken, dass Sie Gottes Wort hören und Ihnen das Herz brennt, wenn
Er es Ihnen auslegt. Und mögen Sie dadurch immer tiefer zur Gemeinschaft mit
ihm finden, zur Kommunion und zur Anteilnahme an derHingabe seines Lebens.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie glauben und mit eigenen Augen „sehen“ können,wie
der auferstandene Christus Ihnen das Brot bricht und reicht, und dass
Ihnen ganz persönlich geschenkt wird, was er den Jüngern gesagt hat: „Der
Friede seimit euch“.
Familienbischof DDr. Klaus Küng