17. Niederösterreichische Juristenmesse

Predigt von Familienbischof DDr. Klaus Küng

Liebe Brüder und Schwestern!

Die Texte des heutigen Sonntags bieten eine kräftige Kost. Im Zentrum steht die Frage Jesu an die Jünger: „Für wen halten mich die Menschen?“ Sie geben ihm zur Antwort: “Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für sonst einen von den Propheten.“ So war es und so ist es. Es gab und es gibt eine Vielfalt von Meinungen. Wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft, die eine Orientierung schwer macht und dazu verführt, insbesondere religiöse Aussagen zu relativieren und die Werte nach demokratischen Gesichtspunkten zu betrachten, so als ob sie durch Mehrheiten bestimmbar wären. Das Herz und der Verstand sagen uns jedoch, dass es nicht so ist. Es gibt Gesetzmäßigkeiten, die in der Natur des Menschen, in den inneren und äußeren Anordnungen der Welt verankert sind unabhängig davon, ob der Mensch glaubt oder nicht glaubt, sie für wahr hält oder nicht für wahr, beachtet oder ignoriert. „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Die Frage Jesu ist direkt und ganz persönlich. Es ist gut, ja sogar unausweichlich, sich ihr zu stellen.

„Sagen sie doch den Leuten, dass bei vielen Problemen
nur einer eine Lösung hat: Jesus Christus“

Ein Bischof erzählte mir vor einiger Zeit, was ihm bei einem Jugendgottesdienst passiert ist: Es gab einen kleinen Zwischenfall. Eine Frau begann zu schreien; sie konnte erst nach einiger Zeit beruhigt werden. Nach dem Gottesdienst stellte sich heraus, dass sie eine Geschichte hat wie sie in unserer Zeit häufig vorkommt: Missbrauch in der Kindheit, Drogen, Alkohol; eine Tragik. Bei der Agape, die auf den Gottesdienst folgte, näherte sich dann dem gleichen Bischof eine andere Frau und bat ihn eindringlich: „Sagen sie doch den Leuten, dass bei vielen Problemen nur einer eine Lösung hat: Jesus Christus“. Das ist zwar plakativ gesagt, aber wahr.
Nicht nur Petrus hat geglaubt. Dieser Glaube an Jesus Christus ist grundlegend für das ganze Leben. Nach diesem Glauben sollten wir Verlangen haben für uns und die anderen. Mit dem Glauben an Jesus Christus ist untrennbar die Kreuzesbotschaft verbunden, die im gleichen Evangelium vermittelt wird. Sie anzunehmen war schon für die Jünger schwierig; für uns, die wir in einer Wohlstandsgesellschaft leben, ist dies ganz besonders schwer. Jeder möchte, dass es ihm gut geht; jeder möchte zu seinem Recht kommen, seine Vorteile haben, seine Ziele erreichen. Und doch ist das nicht so einfach.

Vor einiger Zeit kam das lesenswerte Buch von Peter Hahne „Schluss mit lustig“ heraus. Viel Richtiges wird darin erklärt. Wenn in einer Gesellschaft der Egoismus überwiegt, beginnt alles zu zerbröseln, selbst die erlangten Errungenschaften beginnen zu wanken. Die demographische Frage zum Beispiel wird zur Bedrohung des Wohlstands. Die Pensionen können nicht mehr finanziert werden. Die Konsequenzen können schlimm sein. Die Euthanasie gleicht einer schwarzen Wolke, die am Himmel Europas schwebt. Der Lebensschutz wird seit langem in vielen Ländern durchlöchert. Werden in der Zukunft behinderte Menschen eine Chance haben? Werden Ärzte damit rechnen müssen, dass sie Gefahr laufen, bestraft zu werden, wenn sie nicht deutlich genug zur Abtreibung geraten haben oder wenn sie sich aus Gewissensgründen weigern, bestimmte Eingriffe durchzuführen? Apotheken können auf Grund der gesetzlichen Lage schon jetzt große Probleme bekommen, wenn sie z.B. nicht dazu bereit sind „die Pille danach“ abzugeben, weil sie prinzipiell von der Behörde approbierte Präparate führen müssen.

Viele Fragen kommen auf uns zu, ja sie sind schon längst da, die auch für den Juristen eine große Herausforderung bedeuten.

Es ist aber auch dringend erforderlich, dass Christen sich zu Wort melden...

Es wird gut sein, das Wort Jesu in das Herz eindringen zu lassen: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.“ Nicht alles ist relativierbar. Es gibt viele Fragen, die ein echtes, herzhaftes Engagement erfordern, um Menschen, die in Bedrängnis geraten beizustehen, damit sie ihre legitimen Rechte erhalten bzw. verteidigen. Dafür sind genaue Sachkenntnis, Mut und Umsicht nötig.

Es ist aber auch dringend erforderlich, dass Christen sich zu Wort melden und - insbesondere auch christliche Rechtsexperten - wenn nötig für Gesetze eintreten, die die Menschenrechte, insbesondere das Lebensrecht, auch die Familienrechte schützen. Ein riesiges, brisantes Thema. Wer sich auf diesen Kampf einlässt, wird manche Schwierigkeiten in Kauf nehmen müssen, weil gewisse „Pressuregroups“ nicht davor zurückschrecken, zur Durchsetzung der eigenen Vorstellungen alle möglichen, manchmal auch unmöglichen Mittel zu verwenden. Und es ist damit zu rechnen, dass die Auseinandersetzungen intensiver und heftiger werden.

Ich wünsche Ihnen Gottes Segen, einen intensiven Gedankenaustausch, viel Mut und Entschlossenheit, Einheit untereinander. Im Bezug auf den Gottesknecht, der vieles und schreckliches zu leiden hat, heißt es: „Doch Gott, der Herr, wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden.“ Seien wir zuversichtlich, denn, wer den guten Kampf kämpft, empfängt auch die Hilfe des Herren.